Das Blut der Unschuldigen: Thriller
werden durch Mittelsmänner weitergegeben, die er auf der ganzen Welt hat und die ihm die Wünsche seiner Kunden übermitteln. In der Mehrzahl der Fälle weiß er selbst gar nicht, wer die eigentlichen Käufer sind. Vermutlich will er das auch gar nicht so genau wissen. Sofern jemand mit ihm persönlich zusammentreffen möchte, legt er den Ort dafür fest – am liebsten in seiner Heimatstadt Belgrad. Da fühlt er sich sicher und kann sich gleichsam ungesehen bewegen. Deshalb ist es ja auch so schwer, ihm auf der Fährte zu bleiben.«
»Er ist nach wie vor der einzige Fixpunkt, den wir haben, das lose Ende der Schnur…«
»Fragt sich nur, ob wir den richtigen Augenblick erwischen, wenn es darum geht, daran zu ziehen. Übrigens hat Panetta gesagt, dass er heute Abend nach Rom kommt. Er will das Wochenende hier verbringen und möchte bei der Gelegenheit gern mit uns sprechen. Ich habe ihn zu mir zum Essen eingeladen. Natürlich rechne ich damit, dass du auch kommst. Vermutlich können wir da am ehesten in aller Ruhe miteinander reden. Was meinst du?«
Überrascht nahm Sagardía die Einladung sogleich an. Der Dominikaner kam ihm wie ausgewechselt vor, schien ihm nicht mehr so misstrauisch und distanziert gegenüberzustehen. Woran das liegen mochte? Vielleicht, überlegte Sagardía, trug er selbst die Schuld daran, dass er sich früher nicht mit Gabrielli verstanden hatte.
Zwar hatte sich Lorenzo Panetta ein Wochenende fern von der anstrengenden Arbeit im Brüsseler Zentrum erhofft, er
fühlte sich aber als dessen stellvertretender Leiter, der für die Zusammenarbeit mit dem Vatikan zuständig war, verpflichtet, Gabriellis Einladung anzunehmen. Trotz seiner Müdigkeit würde er den Arbeitstag noch ein wenig in die Länge ziehen müssen, denn ihm war klar, dass das Abendessen mit dem Priester in erster Linie Arbeit und erst in zweiter Vergnügen bedeuten würde.
Er war neugierig zu sehen, wie ein Dominikaner in der Vatikanstadt wohnte.
Als ihm Gabrielli öffnete, sah Panetta überrascht, dass er Bluejeans und ein kariertes Hemd trug.
»Wenn Sie mir gesagt hätten, dass die Sache so informell ist, hätte ich auch gern auf Schlips und Kragen verzichtet, obwohl ich geradewegs vom Flughafen komme.«
Der Priester lachte. Er freute sich, dass es ihm gelungen war, den Polizeibeamten zu überraschen, der als einer der besten Ermittler ganz Europas galt.
»Treten Sie näher. Ovidio ist noch nicht da, kommt aber sicher gleich.«
»Ovidio?«
»Hochwürden Sagardía. Ich denke, es ist einfacher, wenn wir einander mit Vornamen anreden, meinen Sie nicht auch? Ich heiße Domenico.«
Die zweite Überraschung war die spartanische Einrichtung der Wohnung, die sich Panetta voller schwerer Möbel sowie Heiligen- und Marienbilder vorgestellt hatte. Das Wohnzimmer, dessen Wände vollständig kahl waren, wirkte funktionell und modern. Man hätte glauben können, der Priester habe sämtliche Möbel in einem Designerladen gekauft.
Auch der Blumenschmuck erstaunte ihn. Hier und da standen winzige durchsichtige Vasen, die jeweils eine einzelne
Margerite enthielten – mehr hätten auch gar nicht hineingepasst.
Wenige Minuten nach Panetta traf Sagardía ein, der seine Überraschung beim Betreten von Gabriellis Wohnung ebenfalls nicht verbergen konnte.
Bald zeigte sich, dass Gabrielli zu allem Überfluss meisterhaft kochte. Das Essen war köstlich, und die Gäste hatten allen Grund, den Gastgeber in den höchsten Tönen zu loben.
»Leider hat die Zeit nicht für ein richtiges Dessert gereicht«, entschuldigte sich Gabrielli mit gespielter Bescheidenheit, während er eine Platte mit Ananasscheiben auf den Tisch stellte.
»Können Sie so was denn auch?«, fragte Lorenzo Panetta.
»Es ist nicht unbedingt meine Spezialität, aber wenn ich genug Zeit habe, bringe ich durchaus eine gute Pfirsichtarte zustande.«
Nach dem Kaffee und einem Schluck Grappa kamen die drei Männer zur Sache.
»Sie haben ja die E-Mail gelesen, die ich Ihnen heute morgen geschickt habe. Viel gibt es nicht hinzuzufügen. Wir haben den Anruf eines Angehörigen der Pariser Unterwelt abgefangen, der als ›der Jugoslawe‹ bekannt ist. Wie Karakoz ist er Serbe, hat aber seine Heimat schon Jahre vor dem Jugoslawienkrieg verlassen. In Paris war er Leibwächter und Rausschmeißer in Nachtklubs, bis er eines Tages das große Los gezogen hat und Mittelsmann für Karakoz wurde. Er betreibt sogar ein Ein- und Ausfuhrunternehmen.«
»Und worum ging es bei dem
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