Das Blut der Unschuldigen: Thriller
hohes Maß an Mut und Klugheit bewiesen.
Während Hugues des Arcis wartete, strebten die Gascogner unter der Führung eines Mannes, der gleich ihnen aus der Gascogne stammte und gleich ihnen Gascognisch sprach, ihrem Ziel entgegen. Nie hatte er sich dem Land zugehörig gefühlt, das er jetzt gegen gute Bezahlung verriet. Der Lohn dafür sollte ihm dazu verhelfen, mit seinen drei Kindern und seiner Frau, die immer wieder versichert hatte, nichts und niemand werde sie dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen, in die Gascogne zurückzukehren. In diesem Augenblick dachte er nicht an ihre Widerspenstigkeit, von der er überzeugt war, sie werde sie aufgeben, sobald Montségur gefallen war und er die klingenden Münzen des Seneschalls vor ihr auf dem Tisch tanzen lassen würde.
Die anderen folgten ihm in tiefem Schweigen, denn allen
war klar, dass ihnen der Tod gewiss war, sollten die Wächter auf den der Festung vorgelagerten Bastionen ihr Herannahen entdecken. Nicht der kleinste Stein durfte sich unter ihrem Griff oder Tritt lösen und sie durch seinen Fall verraten.
Sie konnten kaum sehen, wohin sie den Fuß setzten, und mussten jeden Augenblick fürchten, in die Tiefe zu stürzen. Doch nicht nur würde man sie gut bezahlen, die Kirchenmänner hatten ihnen außerdem versichert, dass ihnen nach ihrem Tode ein großer Lohn im Himmel winke, weil sie mithalfen, die Irrgläubigen zu bezwingen, die sich in Montségur verschanzt hatten.
Sie wussten nicht, wie lange sie schon unterwegs waren. Ihre Hände waren starr vor Kälte, und alle Muskeln schmerzten.
Wie sich zeigte, stand ihnen Gott bei, denn es gelang ihnen, die Wachen im Halbschlaf zu überraschen und in die Tiefe zu stoßen, bevor diese begriffen, wie ihnen geschah. Im Nu hatten die Gascogner die Bastion in ihren Besitz gebracht. Dankbar klopften ihr Anführer und der Verräter einander auf die Schulter. Die Sache war einfacher gewesen als angenommen. Schon schmerzten ihre Hände nicht mehr, die sie sich an den Felsen abgeschürft hatten; sie genossen den Sieg, und nur die Habgierigsten unter ihnen überlegten, dass sie für dieses Aufsehen erregende Wagestück vielleicht eine höhere Belohnung hätten verlangen sollen.
Vom Verräter geführt kehrten einige der Männer ins Lager zurück, um dem Seneschall die gute Nachricht zu überbringen.
Wie ein Lauffeuer breitete sich die Nachricht im Lager aus, dass der weniger als hundert Schritt von der Festungsmauer entfernte Roc de la Tour erobert war, von wo aus man fast die Gesichter der Menschen dahinter erkennen konnte.
Stolz auf ihre Leistung erklärten die Gascogner, von denen manche selbst überrascht waren, dass ihnen das tollkühne Unternehmen überhaupt gelungen war, sie hätten ihr Leben sicherlich nicht auf diese Weise aufs Spiel gesetzt, wenn nicht die Nacht ihrem Blick die mit dem Anstieg verbundenen Gefahren entzogen hätte.
Der Seneschall rief seine Edelleute zur Beratung zusammen und sandte einen Boten aus, der dem König die gute Nachricht übermitteln sollte. Zum ersten Mal seit Beginn der Belagerung hatte er nicht den geringsten Zweifel daran, dass Montségur sehr bald fallen würde.
Raimon de Perelha und Péire Rotger de Mirepoix gaben sich keinen Täuschungen darüber hin, dass der Schlag, den man ihnen mit der Eroberung der vorgelagerten Bastion versetzt hatte, tödlich sein konnte. Sofern Graf Raimond keine Verstärkung schickte, würde Montségur dem Angriff nicht widerstehen können.
An den folgenden Tagen mussten sie ohnmächtig mit ansehen, wie Belagerungsgerät dorthin geschafft wurde: ein Katapult und Rammböcke, mit denen man die Mauern der Festung berennen konnte.
Der Bischof von Albi führte die Oberaufsicht über die Arbeiten und hielt anfeuernde Ansprachen an seine Männer. Unterdessen bemühte sich Fernando, den Aufbruch seiner Templerbrüder möglichst lange hinauszuzögern, während er auf eine Mitteilung seiner Mutter wartete. Sie traf erst nach nahezu zwei Wochen ein.
Mitten in seinem unruhigen Schlaf legte sich ihm eine Hand auf die Schulter. Überrascht sprang er auf, den Dolch in der Hand, bereit, dem Angreifer die Kehle durchzuschneiden.
»Ruhig, Fernando, ich bin’s.«
»Julián! Was machst du hier? Man könnte dich sehen.«
»Ich weiß, aber wir haben keine Zeit. Komm.«
Während Fernando das Zelt verließ, das er mit den anderen Templern teilte, hoffte er, dass sie nicht aufgewacht waren.
»Was gibt es, dass du dich mitten in der Nacht hierherwagst ?«
»Der
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