Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Inquisition bist und dem Orden angehörst, der die Menschen, die hinter den Mauern der Festung Montségur Schutz gesucht haben, gleichsam als Gottes Hundemeute hetzt, damit sie dem Scheiterhaufen überantwortet werden können.«
»Schweig und quäl mich nicht! Du weißt sehr wohl, was ich darum leide! Der Teufel peinigt meine Seele.«
»Nein, nicht der Teufel, sondern dein Gewissen. Es peinigt dich, weil du unfähig bist, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Du weißt ebenso gut wie ich, dass diese Menschen unschuldig sind. Sie haben nichts Böses getan …«
»Doch! Sie haben sich gegen unsere heilige Kirche aufgelehnt !«
»Ihre Auflehnung richtet sich gegen die Verderbnis in unserer heiligen Kirche, gegen sittenlose Geistliche und prunksüchtige Bischöfe …«
»Man wird dich des Irrglaubens anklagen!«
»Wer? Etwa du?«
»Ich? So etwas würde ich nie tun, du bist … Wir sind Brüder.«
»Ich glaube, Julián, du würdest es außerdem nicht tun, weil du ein guter Mensch bist.«
»Bitte lass niemanden hören, was du gerade zu mir gesagt hast«, flehte ihn der Mönch an, »man würde dich der Ketzerei anklagen.«
»Sei unbesorgt. Wie du weißt, bin auch ich Mönch, tue ohne Widerrede, was unsere heilige Kirche anordnet, und setze im Kampf gegen die Sarazenen mein Leben aufs Spiel. Doch hin und wieder… hin und wieder lasse ich meinen Gedanken freien Lauf. Dabei stoße ich dort, wo bis dahin Gewissheiten waren, auf Zweifel, die ich nicht einmal meinem Beichtvater anzuvertrauen wage. Dir aber sage ich es, Julián, im vollen Bewusstsein dessen, dass du Dominikaner bist, Hüter des wahren Glaubens. Jetzt würde ich gern mit dir über die Chronik sprechen, an der du arbeitest. Auf welche Weise soll sie in die Hände meiner Schwester Marian gelangen?«
»Das weiß ich noch nicht. Deine Mutter hat mir eine äußerst schwierige Aufgabe übertragen. Ich kann nur hoffen, dass sich Marian mit mir in Verbindung setzt.«
»Was machen wir mit Teresa?«
»Auch das weiß ich nicht. Ich als Mönch kann sie nicht bei mir behalten.«
»Und ich kann sie nicht mit in die Komturei nehmen, denn dort ist Frauen der Zutritt untersagt … Könntest du sie nicht zu Marian an den Hof des Grafen Raimond schicken?«
»Bei unserem Vater und deiner Schwester Marta wäre sie besser untergebracht. In Aínsa …«
»Es dürfte nicht klug sein, sie nach Hause zurückkehren zu lassen. Früher oder später würde sie auch dort in die Fänge der Inquisition geraten. Sieh mich nicht so an, Julián. Jeder in Aínsa weiß, dass sie sich mit meiner Mutter auf Montségur aufhält und dass beide als Irrgläubige gelten. Niemand wird mit dem armen Mädchen Mitleid haben. Ich denke, sie kann ausschließlich bei meiner Schwester Marian Zuflucht finden. Ihr Gemahl Bertrand d’Amis hat am Hof des Grafen Raimond ein wichtiges Amt inne. Bitte schick sie dorthin.«
»Aber wie könnte ich das tun?«, fragte Julián.
»Es wird doch jemanden geben, dem du vertrauen kannst.«
»Nein. Ich vertraue niemandem. Es kostet mich Mühe genug zu verheimlichen, dass ich Umgang mit Ketzern habe.«
»Uns fällt bestimmt etwas ein. Ich werde noch zwei oder drei Tage hier sein. Es gibt keine andere Möglichkeit, als dir die Verantwortung für sie aufzubürden.«
Auch wenn er den Halbbruder für schwach hielt, zweifelte der Templer nicht im Geringsten an dessen Treue zur Familie derer von Aínsa, der er durch den gemeinsamen Vater ebenfalls angehörte.
Während Fernando entschlossenen Schrittes in das Zelt der Templer zurückkehrte, wo er Gott bitten wollte, ihn nicht im Stich zu lassen, kniete Bruder Julián vor seiner Lagerstatt und erflehte vom Allmächtigen das Gleiche, wobei er verzweifelt überlegte, was für Teresa das Beste wäre.
8
In jener Nacht blieb der Mond unsichtbar. Nichts als das Brausen des eiskalten Windes unterbrach die sonderbare Stille über dem Lager. Unruhig schritt der Seneschall Hugues des Arcis in seinem Zelt auf und ab, während er darauf wartete zu erfahren, ob den Gascognern, die vor vielen Stunden aufgebrochen waren, ihr Vorhaben gelungen war. Obwohl er überzeugt war, Gott auf seiner Seite zu haben, zerfraß ihn die Ungewissheit. Er wusste nur allzu gut, dass die Festung Montségur uneinnehmbar war, wenn es ihnen nicht gelang, jene Bastei zu erobern. Überdies hatten der Burgherr, Raimon de Perelha, wie auch der Befehlshaber der Verteidiger, Péire Rotger de Mirepoix, während der seit Monaten andauernden Belagerung ein
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