Das Blut der Unschuldigen: Thriller
nicht?«
»Schon … Also, dann sage ich es ganz offen. Ich befürchte, dass es bei uns im Hause eine undichte Stelle gibt.«
»Unmöglich!«, begehrte Lucas auf. »Hier wird doch jeder regelmäßig einer Sicherheitsprüfung unterzogen.«
»Genau. Und so eine werde ich umgehend noch einmal anordnen. Wir müssen noch vorsichtiger sein. Solange die Ergebnisse der Überprüfung nicht vorliegen, darf nicht das Geringste an Neuigkeiten aus diesem Raum nach außen dringen«, erklärte Hans Wein kategorisch.
»Eigentlich wollte ich Doktor Villasante bitten, dass sie sich den Mitschnitt des Telefongesprächs einmal anhört. Sicher könnte sie uns was über die Stimme des Unbekannten sagen«, brachte Lucas vor.
»Das muss dann eben warten. Es macht keinen Unterschied, ob sie das jetzt oder in drei Tagen hört. Wichtig ist, dass wir am
Ball bleiben und den Jugoslawen, Karakoz und seine Spießgesellen genauestens überwachen, bis sie den nächsten Schritt tun. Und Sie, Matthew, darf ich bitten, den Mund zu halten. Es wäre mir gar nicht recht, wenn unser Zentrum zur Zielscheibe der Witze anderer Geheimdienste würde.«
»Keine Sorge, von mir hört keiner was«, gab Lucas zurück. »Aber gestatten Sie mir zu sagen, dass ich Lorenzos Bauchgefühl nicht teile. Ich wüsste nicht, wer aus dem Zentrum Informationen weitergeben könnte, es sei denn …«
»Sie denken doch nicht etwa an Mireille«, fuhr Panetta auf. »Seien Sie ihr gegenüber nicht ungerecht.«
»Das bin ich nicht. Aber es kann doch sein, dass sie einem ihrer arabischen Freunde völlig unabsichtlich etwas gesagt hat, was der dann seinen Kumpanen weitergegeben hat. Mir jedenfalls scheint die Frau hier in der Abteilung die einzige schwache Stelle zu sein.«
»Ich möchte mich nicht zu Mireilles Verteidiger aufschwingen, dazu habe ich keinen Anlass«, hielt ihm Panetta entgegen, »aber wir sollten uns vor Ungerechtigkeit und Vorurteilen hüten. Auf jeden Fall wird auch sie überprüft. Außerdem können Sie beruhigt sein, sie wird bald in eine andere Abteilung versetzt.«
»Das ist mal eine gute Nachricht. Sie passt einfach nicht hierher.«
»Na ja, besonders beliebt hat sie sich in der Abteilung nicht gemacht. Schon sonderbar – immer wieder höre ich, dass sich Leute über sie ärgern«, sagte Panetta mehr zu sich selbst als zu den beiden anderen.
»Trotzdem halten Sie sie für vertrauenswürdig.«
»Ja, ich glaube, dass sie ihre Arbeit gern tut. Ganz davon abgesehen scheint sie mir klug und furchtlos zu sein. Bestimmt
könnte sie etwas leisten – man muss ihr nur eine Gelegenheit dazu geben.«
»Ist das auch wieder eins Ihrer Bauchgefühle?«, fragte Lucas spöttisch.
»Unbedingt. Das Bauchgefühl eines alten Straßenköters.«
In der kurzen Mittagspause suchten Andrea Villasante und Mireille Béziers die Kantine des Zentrums auf. Außer ihnen waren noch Laura White und Villasantes rechte Hand Diana Parker da.
Zögernd folgte Mireille Andrea Villasantes Einladung, sich zu ihnen zu setzen. Sie fand es hochanständig von ihr, dass sie sich bemühte, sie in die Gruppe zu integrieren, obwohl es auch ihr sichtlich schwerfiel zu verbergen, dass sie die »Eingeschleuste« nicht besonders gut leiden konnte.
»Irgendetwas ist im Busch«, sagte Laura White.
»Und das wäre?«, fragte Andrea Villasante knapp. Sie war für ihre Nüchternheit bekannt. Niemand hatte sie je lächeln sehen.
»Ich weiß nicht, aber der Chef und sein Vize waren heute morgen ganz anders als sonst«, erklärte Laura White. »Ich würde sagen, richtig zurückhaltend. Keine Ahnung, worum es geht, aber jedenfalls behalten sie alles für sich.«
»Vielleicht bildest du dir das nur ein. Irgendwann erwischt es hier jeden, und man fängt an, die kleinsten Regungen von anderen auf eine tiefere Bedeutung hin zu untersuchen«, gab Diana Parker zu bedenken.
»Ich halte es für unangebracht, dass ihr hier breittretet, worüber sich der Chef Sorgen machen könnte oder was er für sich behält«, beschied Andrea Villasante die beiden. »Jeder hat seine Arbeit zu tun, und damit Schluss.«
Laura White errötete. Da war sie offenbar ins Fettnäpfchen getreten – ausgerechnet sie, die Stillschweigen und Zurückhaltung auf ihre Fahne geschrieben hatte.
»Versteh mich nicht falsch, Andrea, ich hab das nur so gesagt«, verteidigte sie sich.
»Hier kann man nicht einfach was nur so sagen. Schon gar nicht, wenn es um den Abteilungsleiter und seinen Stellvertreter geht. Spekulationen und
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