Das Blut der Unschuldigen: Thriller
allem Überfluss hatte sie auch noch strahlend blaue Augen.
»Haben Sie die Anweisungen für mich?«, fragte sie, kaum, dass sie einander begrüßt hatten.
»Zum Teil. Gestatten Sie, dass ich näher trete und mich setze?«
Sie schien sich denkbar unbehaglich zu fühlen und war offenkundig angespannt. Sie wollte die Sache wohl so schnell wie möglich hinter sich bringen.
»Beruhigen Sie sich – hier sieht und hört uns niemand. Was wir zu besprechen haben, lässt sich nicht zwischen Tür und Angel erledigen.«
Sie wies auf einen Sessel vor einem runden Tisch und setzte sich ihm gegenüber.
»In wenigen Tagen werde ich Ihnen vier Flugscheine für Sie und Ihre Begleiter übergeben, aber zuvor brauche ich Passfotos.«
»Ich habe sie mitgebracht. Übrigens kommen nicht zwei Brüder und meine Kusine mit, sondern statt des einen Bruders ein Vetter.«
»Warum das?«, fragte er beunruhigt.
»Weil mein Vetter dasselbe durchgemacht hat wie ich«, sagte sie mit vor Zorn funkelnden Augen.
»Und der andere Bruder?«
»Der bleibt zu Hause und kümmert sich um unsere Mutter. Wir sind nur noch drei von sieben Geschwistern. Die anderen sind im Krieg umgekommen wie auch mein Vater. Wir haben gemeinsam beschlossen, dass einer der Männer überleben muss.«
»Wie alt ist Ihre Kusine?«
»Älter als ich.«
»Ich habe gefragt, wie alt sie ist.«
»Vierzig. Sie hat ihren Mann und ihr Töchterchen verloren.« Ylena stieß einen Seufzer aus, der ihre Ungeduld deutlich machte. »Sie haben mir den Auftrag noch nicht erklärt.«
»Was hat man Ihnen gesagt?«
»Dass ich endlich Gelegenheit haben werde, mich an der moslemischen
Brigade zu rächen. Niemanden hat es gekümmert, was man uns Serben angetan hat, nicht einen Menschen.«
»Ihre Rache wird sich nicht gegen dieselben Männer richten.«
»Das ist mir bekannt, doch ich möchte, dass Leute wie sie ebenso weinen müssen wie ich.«
»Die Sache wird nicht einfach sein, aber wir werden es schaffen. Es geht darum, den Moslems einen Schlag zu versetzen, von dem sie sich nie wieder erholen werden: Sie sollen die Reliquien Mohammeds vernichten.«
»Ach, haben auch die Moslems Reliquien?«, fragte sie ungläubig.
»Ja. Im Topkapi, dem berühmten Palast von Istanbul, hat ein Sultan ein Gebäude zur Aufnahme von Mohammeds Umhang, Siegel, Schwert und einigen Haare seines Bartes errichten lassen. Außerdem bewahrt man dort seine Fahne aus schwarzer Wolle auf. So wie die Christen bei ihrem Kampf gegen die Moslems das Kreuz vor sich hergetragen haben, an dem Jesus starb, haben die Türken, wann immer Gefahr drohte, die Standarte des Propheten in feierlicher Prozession durch Istanbuls Straßen getragen.«
»Und auf welche Weise wollen wir das alles zerstören?«
»Natürlich mit einer Bombe. Ihr Bruder, Ihre Kusine und Ihr Vetter können als gewöhnliche Touristen nach Istanbul fahren. Sie hingegen … es dürfte schwierig für Sie sein, kein Aufsehen zu erregen, und so ist es wohl am besten, wenn Sie erst unmittelbar vor dem Anschlag dort hinreisen. Auf jeden Fall müssen Sie sich äußerst zurückhaltend kleiden. Entweder benutzen Sie ein Kopftuch oder, besser noch, lassen sich die Haare färben.«
»Ich habe aber die Passfotos schon mitgebracht«, klagte sie.
»Es geht um Ihre Sicherheit. Glauben Sie mir, wer aussieht wie Sie, fällt unbedingt auf.«
»Schon gut, ich werde mir die Haare färben.«
»Außerdem sollten Sie das Topkapi keinesfalls allein aufsuchen.«
»Auf welche Nationalität wird mein Pass ausgestellt?«
»Es ist wichtig, dass man nicht alle Angaben ändert, sondern möglichst wenige. Wenn Sie sich als Schwedin oder Engländerin ausgäben, hätten Sie von Ihrem Aussehen her mit Sicherheit keine Schwierigkeiten, aber sobald Sie den Mund aufmachten, wüsste man, dass etwas nicht stimmt. Also wird in Ihrem Pass stehen, dass Sie Bosnierin sind. Sie alle gehen als Bosnier aus Sarajewo, das scheint mir das Beste zu sein.«
»Als Serbobosnierin kenne ich Sarajevo gut.«
»Ja, und Sie reisen als Touristen, die in der Türkei Urlaub machen, ganz einfach.«
»Was ist mit der Bombe?«
»Geben Sie sich als Behinderte aus, dann können Sie die in einem Rollstuhl mit sich führen. Sie hätten sonst keine Aussichten, die Sicherheitskontrollen zu überwinden. Es muss Ihnen aber klar sein, dass Sie unter Umständen nicht mit dem Leben davonkommen.«
»Auf welche Weise wird der übrige Sprengstoff in den Palast geschmuggelt?«
»Ebenfalls mit dem Rollstuhl. Man hat mir
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