Das Blut der Unschuldigen: Thriller
bleiben, als Euch zu decken, um uns
selbst zu schützen. Niemand wird sein Gewissen damit belasten wollen, dass er Euch oder unseren Ordensbruder Fernando dem Scheiterhaufen überantwortet. Die Kirche darf nicht eingestehen, dass ein Schreiber der Inquisition Umgang mit Ketzern pflegt, so wie der Templerorden nicht eingestehen darf, dass die Mutter eines seiner Ritter eine Vollendete ist.«
»Ihr wollt die beiden schützen?«, fragte Arthur Bonnard verblüfft.
»Ja. Wir werden niemandem etwas davon sagen. Haben wir nicht schon darüber gesprochen, wie sehr uns dieser Bruderkrieg unter Christen schmerzt? Unsere Oberen haben entschieden, dass sich der Templerorden nicht an diesem Kreuzzug gegen jene beteiligen will, die sich als Gute Christen bezeichnen. Bisher haben wir vermocht, uns nicht mit hineinziehen zu lassen. Nein, ich werde nicht zulassen, dass man unseren Gefährten Fernando de Aínsa auf den Scheiterhaufen schickt, und ich kann auch kein Vergehen darin sehen, dass man das Leben eines unschuldigen Mädchens rettet. Was versteht sie schon von religiösen Dingen? Zwar bin ich Mönch und Krieger, aber ich bin auch Heilkundiger, und es ist mir zuwider, dass man Leben vernichtet. Im Übrigen halte ich auch Euch nicht für fähig, Bonnard, dass Ihr unseren Ordensbruder ausliefert.«
Der Angesprochene senkte den Blick.
»Wir können nicht daran mitwirken, die Ketzer entkommen zu lassen«, entgegnete er schließlich.
»Doch, das können wir«, beharrte Armand de la Tour.
»Das wäre Verrat«, hielt Bonnard dagegen.
»Keineswegs. Wir helfen bei der Errettung eines jungen Mädchens, das wir zusammen mit seinen Begleitern an einen sicheren Ort geleiten – das ist alles.«
»Mir hat man die Leitung unserer Gruppe übertragen,
und ich sage, wir werden das nicht tun.« Bei diesen Worten sah Bonnard nicht nur Armand an, sondern auch die anderen Tempelritter.
Einer von ihnen, ein junger Mann in Fernandos Alter, bat um die Erlaubnis zu sprechen.
»Ich möchte gern Fernando de Aínsa beistehen. Weder sehe ich etwas Böses darin, dass er seine Schwester retten möchte, noch halte ich das für Verrat. Inwiefern verrät der den König, der einem jungen Mädchen hilft, dem Scheiterhaufen zu entkommen? Ich könnte Fernando nie wieder in die Augen sehen, wenn ich wüsste, dass ich dazu beigetragen habe, seine Schwester den Schergen zu überantworten.«
»Ihr werdet aber doch nicht dabei helfen wollen, seine Mutter zu retten«, sagte Bonnard.
Ohne sich zu besinnen, gab der junge Templer zugleich zurück: »Nein, das wäre wohl nicht unsere Aufgabe. Doña María weiß, was sie tut. Euch bereitet die Frage Sorge, ob es sich um Verrat handelt … meiner Ansicht nach ist das nicht der Fall.«
»Mir bereitet es Sorge, dass sich Templer an der Flucht von Vollendeten aus Montségur beteiligen! Jeder von Euch weiß ebenso gut wie ich, dass das ein Verbrechen ist.«
»Noch schlimmer aber wäre es, Fernando der Inquisition auszuliefern. Ihr wisst, dass viele unserer Feinde darin eine glänzende Gelegenheit sehen würden, uns zu vernichten«, gab Armand de la Tour zu bedenken.
»Uns bleibt eine andere Möglichkeit: Wir brechen sofort auf.«
Diese Worte Bonnards schienen keine Erwiderung zuzulassen, doch weder Fernando noch Julián waren bereit nachzugeben.
»Herr, mein Leben liegt in Euren Händen. Ich bitte nicht,
dass Ihr mir helft; mir ist bewusst, dass ich nach dieser Unternehmung die exemplarische Strafe erleiden werde, die ich verdient habe. Dennoch sage ich Euch: Sofern Ihr mich nicht an meinem Vorhaben hindert, indem Ihr mich der Inquisition ausliefert, werde ich meiner Schwester zur Flucht verhelfen und die Vollendeten an einen sicheren Ort geleiten. Es ist der letzte Wunsch meiner Mutter vor ihrem Tode, und ihn werde ich erfüllen.«
9
Bertrand Martí, der greise Bischof der Guten Christen, hatte den Auftrag erteilt, alles an Silber, Edelsteinen und wertvollen Gegenstände zusammenzutragen, was sich transportieren ließ. Schon seit langem wurde auf Montségur aufbewahrt, was Edelleute der Umgebung den Guten Christen zur Unterstützung ihrer Sache geschenkt hatten. Sie errichteten davon Häuser, in denen Waisen Aufnahme fanden, Kranke geheilt und Witwen unterstützt wurden …
Martí wollte diesen weltlichen Besitz in Sicherheit bringen lassen, damit dies Werk der Guten Christen auch nach dem Fall der Festung fortgesetzt werden konnte.
Zwei seiner Diakone, Matéu und Péire Bonet, hatten den Auftrag,
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