Das Blut der Unschuldigen: Thriller
dass ihm keine Gefahr drohte. Nach der Rückkehr in ihre Kommende würde sich Fernando dem Komtur offenbaren, damit dieser eine angemessene Strafe für ihn festlegen konnte. Allerdings gab sich Bonnard keinen Täuschungen hin: Auch die anderen würden dafür einstehen müssen, dass sie von der Sache gewusst und sie mittelbar unterstützt hatten.
Ein leises Rascheln erregte die Aufmerksamkeit des Hirten, und auch Fernando lauschte angespannt. Gleich darauf tauchten vor ihnen zwei Männer auf, denen die Ermattung ins Gesicht geschrieben stand. Als Nächstes wurde eine in einen Umhang gehüllte Gestalt sichtbar, die sich kaum auf den Beinen halten konnte.
»Das sind sie«, sagte der Hirte.
Mit zwei großen Schritten war Fernando bei den Männern,
die er nur flüchtig mit einer Handbewegung grüßte, dann zog er den Umhang beiseite und sah in das Gesicht seiner jüngsten Schwester.
»Teresa!«
Sie warf einen Blick voll Hass auf ihn, konnte dann aber nicht mehr an sich halten und brach in Tränen aus.
»Sorgt dafür, dass sie still ist, sonst entdeckt man uns doch noch«, mahnte der Diakon Matéu. »Wir wären unterwegs fast einigen Kriegern in die Hände gefallen. Es war gar nicht einfach, uns hierher durchzuschlagen.«
»Still, Teresa, du kannst später weinen«, bemühte sich Fernando, sie zu beruhigen, ohne so recht zu wissen, wie er das Mädchen behandeln sollte, das, wie er sah, fast schon eine junge Frau war.
»Die Pferde stehen wenige Schritte von hier entfernt. Wir haben ihre Hufe umwickelt, damit man sie nicht hört. Könnt Ihr reiten?«, fragte Fernando die Diakone.
»Wir werden es lernen«, gaben sie zurück.
»Also vorwärts …«
Fernando, gefolgt von den anderen Templern, ging voran. Die Vollendeten hatten ihm einen Ort in den Bergen des Sabartés als ihr Ziel genannt. Dort wollten sie ihre Schätze verbergen, bis die Zeit gekommen war, sich ihrer zu bedienen.
Ohne Pause ging es voran, bis die beiden Männer Fernando bedeuteten, dass er an einer bestimmten Stelle auf sie warten solle. Sie gingen zu Fuß weiter und waren bald im Wald verschwunden. Fernando glaubte Stimmen anderer Männer zu hören, rührte sich aber entsprechend dem Gebot der beiden nicht vom Fleck.
Als die Diakone zurückkehrten, schienen sie deutlich erleichtert zu sein, und Fernando entnahm ihren Worten, dass
sie jemanden getroffen hatten. Unübersehbar waren sie froh, ihre Schätze in guter Hut zu wissen.
Sie ritten weiter. Fernando führte sie in großem Bogen um Ansiedlungen herum durch von Wäldern bestandenes hügeliges Gelände. Er hielt die Nachtwache und behütete den Schlaf der Flüchtlinge im Bewusstsein, dass seine Ordensbrüder ganz in der Nähe waren. Ein oder zwei Mal drohte ihnen Gefahr, doch dank Fernandos Erfahrung im Umgang mit solchen Situationen ging alles glatt. Die beiden Diakone fühlten sich unter seinem Schutz sicher. Wer würde es wagen, sich einem Tempelritter entgegenzustellen?
Teresa war erschöpft. Immerhin hatten sie mehrere Tage nahezu ununterbrochen reiten müssen, um das ebene Land zu erreichen, in dem sich Graf Raimond mit seinem Gefolge aufhielt. Fernando, der sie nicht bis zu dessen Burg begleiten wollte, verabschiedete sich von Teresa und nahm ihr das Versprechen ab, der älteren Schwester und deren Gemahl zu gehorchen.
Nachdem er den beiden Vollendeten die Sorge um seine Schwester ans Herz gelegt hatte, verabschiedete er sich auch von ihnen.
»Ich vertraue sie Euch an. Mein Schwager, Bertrand d’Amis, wird Euch belohnen.«
»Wir brauchen in diesem Leben keinen Lohn«, gab Péire Bonet zurück, ohne seinen Ärger über die Worte des Templers zu verbergen.
»Ich wollte Euch nicht kränken«, entschuldigte sich dieser.
»Eure Schwester hat das Consolament empfangen und ist damit auch unsere Schwester«, hob der Mann hervor.
Fernando umarmte Teresa noch einmal, schwang sich dann auf sein Pferd und gab ihm mit Macht die Sporen. Er würde jetzt seiner Strafe entgegenreiten, fragte sich aber, ob er sie wirklich
verdient hatte. Doch was auch immer geschah – Teresa würde weiterleben.
10
Die Situation der Belagerten auf Montségur hatte sich zusehends verschlechtert, und der Seneschall erk lärte selbstgewiss, es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis Raimon de Perelha seine Burg den Kreuzkriegern übergeben musste. Die Katapulte hatten bereits einen großen Teil der Ostmauer zerstört, und die inzwischen bis auf Rufweite an die Festung herangerückten Streiter Gottes gönnten den
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