Das Blut der Unschuldigen: Thriller
auf andere angewiesen bin.«
»Kann ich dir helfen?«
Ihr Angebot überrascht ihn. Er sah aufmerksam zu ihr hin und empfand den übermächtigen Wunsch, sich ihr anzuvertrauen, unterließ es dann aber lieber. Sie war wie Nancy, die ihn verlassen hatte, als ihr klar geworden war, was die d’Amis planten.
»Danke, aber ich brauche keine Hilfe. Mach dir keine Sorgen. Wenn es erforderlich sein sollte, würde ich nicht zögern, dich darum zu bitten. Allerdings weiß ich nicht, ob du viel von Finanzgeschäften verstehst.«
»Du kannst ja ausprobieren, ob man mir vertrauen kann«, gab sie in herausforderndem Ton zurück.
»Vertrauen? Geschäfte haben nichts mit Vertrauen zu tun.«
»Ich denke schon. Aber es spielt keine Rolle. Letzten Endes bin ich für dich eine Außenstehende und darf nicht erwarten, dass du mir anvertraust, was du tust, wovon du lebst und womit du dich beschäftigst.«
»Das kann ich dir gern sagen. Ich bin Graf d’Amis, verwalte das von meinen Vorfahren auf mich übertragene Erbe: Ländereien, Anlagepapiere, andere Investitionen … und bemühe mich, keine Risiken einzugehen, auch wenn das bisweilen unvermeidlich ist. Das sind dann die Fälle, bei denen ich unruhig werde.«
»Und das bist du jetzt.«
»Ja. Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich mir Sorgen mache, wenn andere die Verantwortung für die Dinge tragen und ich nicht selbst eingreifen kann.«
»Wer ist dieser Salim?«
»Ein guter Freund, mit dem ich Geschäfte abwickle … Es sind schwierige Geschäfte, in die er auch nicht immer selbst eingreifen kann. Wir beide müssen uns auf das verlassen, was andere tun.«
»Woher kommt er? Der Name klingt arabisch, nicht wahr?«
»Er ist Brite syrischer Abstammung. Ein Herr vom Scheitel bis zur Sohle. Du wirst ihn kennenlernen, und er wird dir gefallen.«
»Kommt er auf die Burg?«
»Das weiß ich nicht. Warum willst du das wissen?«
»Weil ich nicht lange bleiben werde.«
»Wann willst du denn fort?«, fragte er beklommen. Er fürchtete ihre Antwort.
»Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren. Auf keinen Fall will ich dir mit meinem Besuch lästig sein.«
»Catherine, du bist kein Besuch, das habe ich dir bereits gesagt. Du bist hier zu Hause, und eines Tages wird dir alles gehören.«
»Manchmal weiß ich selbst nicht, was ich von mir denken soll. Ich bin ganz verwirrt. Das war wohl alles ein bisschen viel für mich … dich kennenzulernen, die Burg zu sehen, die Orte aufzusuchen, an denen meine Mutter gelebt hat …«
»Brich nicht vorschnell den Stab über mir. Lass mir Zeit, aber auch dir, um zu erkennen, ob du mich als Vater haben möchtest.«
Über der Burg lag nächtliche Stille, als sie müde zurückkehrten. Lediglich der Butler war noch auf, für den Fall, dass der Graf einen Wunsch hatte. Doch weder er noch Catherine wollte etwas anderes als sich zurückziehen und schlafen.
37
Seit Tagen hatten Panetta, Lucas und Aguirre das ihnen zugewiesene Büro in der Pariser Zweigstelle des Zentrums nicht verlassen und keine einzige Nacht in einem Bett geschlafen.
Gerade jetzt setzte Panetta den Leiter Hans Wein vom jüngsten Bericht in Kenntnis, den Matthew Lucas von Kollegen aus Sarajevo bekommen hatte, wo seine amerikanische Dienststelle über Kontaktleute verfügte.
»Ich schick ihn dir per E-Mail, mach dich aber schon jetzt darauf aufmerksam, dass der Fall immer komplizierter wird. Die Frau, um die es geht, heißt Ylena Milojevic und ist Serbobosnierin. Sämtliche Männer eines Vortrupps der moslemischen Brigaden haben sie im Jugoslawienkrieg als junges Mädchen vergewaltigt, was sie beinahe das Leben gekostet hätte. In diesem Krieg hat sie außerdem ihren Vater und einen Bruder verloren. Es muss für sie die Hölle gewesen sein. Ich frage mich nur, warum die Leute von Karakoz sie auf Schritt und Tritt bewachen. Sie selbst scheint nichts davon zu wissen. Zurzeit hält sie sich zusammen mit einem ihrer Brüder sowie einem Vetter und einer Kusine in einem Hotel in Istanbul auf. Vor zwei Tagen haben sie aus einem Haus der Stadt riesige Pakete abgeholt und in einem gemieteten Kleinbus verstaut. Und jetzt kommt der Knaller: Man hat die Frau wie eine Moslemin gekleidet, inklusive Kopftuch, in einem Rollstuhl gesehen. Ich finde, dass die Amerikaner wirklich erstklassig gearbeitet haben. Trotzdem wäre es nicht schlecht, wenn du mal mit den Türken reden könntest. Es ist ganz klar, dass die Frau da unten was vorhat.«
Besorgt hörte Hans Wein zu. Der Fall schien immer
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