Das Blut der Unschuldigen: Thriller
verworrener zu werden. Das Schlimmste war, dass all das keinerlei Sinn ergab. Als sie der Fährte gefolgt waren, die zu Karakoz führte, hatten sie entdeckt, dass ein französischer Graf mit dessen Vertrauensmann in Paris, nämlich dem Jugoslawen, Geschäfte machte – und jetzt führte sie die Fährte mit einem Mal zu der rätselhaften Frau in Istanbul. Noch rätselhafter allerdings war das letzte Telefonat zwischen dem Grafen d’Amis und dem hoch angesehenen Professor al-Bashir. Sosehr sich Wein gegen den Gedanken sträubte, fürchtete er doch, dass sein Stellvertreter Panetta mit seinem Verdacht gegen den Mann Recht haben konnte. Rätsel über Rätsel. Was für »Geschäfte« mochten das sein, von denen der Graf gesprochen hatte, und warum sollte er dem Professor Geld schicken? Was für Familien waren das, für die gesorgt werden musste?
»Gut, ich setz mich mit den Türken in Verbindung. Vermutlich macht es denen nichts aus, uns in dem Fall zuzuarbeiten. Ach ja, alle hier im Büro lassen dich grüßen. Übrigens wird es immer schwerer, die Leute aus der Sache herauszuhalten. Laura White ist gekränkt, weil sie findet, dass wir ihr nicht vertrauen, und Andrea Villasante hat mir gestern sogar gesagt, wenn ich ihr kein Vertrauen schenke, könne sie ebenso gut die Versetzung in eine andere Abteilung beantragen. Sie sieht es als persönliche Kränkung an, dass wir sie von den Ermittlungen im Fall Frankfurt ausgeschlossen haben. Meinst du nicht, dass wir es damit ein bisschen übertreiben? Ich hab das gesamte Personal noch mal gründlich durchleuchten lassen, und dabei hat sich bei niemandem auch nur der kleinste Ansatz für einen Verdacht ergeben. Übrigens ist hier wieder Ruhe eingekehrt, seit diese Mireille Béziers nicht mehr bei uns ist. Sie hat jeden verrückt gemacht. Glücklicherweise hab ich sie seit ihrer
Versetzung nicht wiedergesehen, nicht mal zufällig im Aufzug.«
»Warum vergisst du die Frau nicht einfach?«
»Du hast Recht. Hauptsache, ich bin sie los. Allerdings hat man mir neulich zu verstehen gegeben, das ihr Onkel, der NATO-General, ziemlich aufgebracht sei. Er behauptet, wir hätten sie bei uns rausgemobbt. Der wird sich aber wohl auch wieder beruhigen.«
»Ich glaube, dich plagt das schlechte Gewissen, weil du ihr gegenüber ungerecht warst.«
»Schwingst du dich schon wieder zu ihrem Fürsprecher auf?«
»Ich habe sie immer für außerordentlich einsatzbereit gehalten und war von Anfang an überzeugt, dass sie uns nützlich sein könnte. Wenn es dir recht ist, sollten wir jetzt aber über das sprechen, worum es eigentlich geht«, schloss Panetta.
Er bat Hans Wein eindringlich, die Angelegenheit weiterhin äußerst vertraulich zu behandeln, und erinnerte ihn daran, dass sie mit der Ermittlung beträchtlich vorangekommen waren, seit sie als Einzige aus der Abteilung daran arbeiteten.
»Mir ist klar, dass es schwierig ist, Laura da herauszuhalten. Immerhin ist sie deine Assistentin und von Anfang an dabei. Ich habe selbst die höchste Meinung von ihr, aber glaub mir, es ist besser so. Was Andrea betrifft … ich kann mir denken, dass sie wütend ist, aber damit musst du leben. Ich bin gern bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass wir die beiden nicht an der Ermittlung beteiligt haben. Wenn das hier vorbei ist, werde ich alle in der Abteilung um Entschuldigung bitten – vielleicht ist das dann sowieso der richtige Augenblick, um auf Wiedersehen zu sagen.«
»Was soll das heißen?«, fragte Hans Wein besorgt.
»Darüber reden wir später. Mir steht das Leben in Brüssel bis dahin, und ich möchte gern nach Rom zurück. Ich weiß nicht, ob ich es dir schon gesagt habe, aber dank meinem Ältesten werde ich demnächst Großvater.«
»Herzlichen Glückwunsch. Trotzdem werde ich tun, was ich kann, um dafür zu sorgen, dass du hierbleibst. Ach ja, und sag unseren Leuten in Paris meinen herzlichen Glückwunsch. Die haben hervorragende Arbeit geleistet. Hier hat sich, wie du dir denken kannst, inzwischen die halbe Belegschaft in den Osterurlaub verabschiedet. Andrea hat sich die ganze Woche freigenommen, vielleicht, weil sie so verärgert ist. Sie hat Diana Parker gegenüber durchblicken lassen, dass sie es für sinnlos hält, länger dazubleiben, wenn sie sowieso nichts mit der Sache zu tun hat. Laura geht morgen.«
Aguirre zeichnete große Quadrate auf ein Blatt Papier, in die er die Namen der Beobachteten schrieb: Karakoz, der Jugoslawe, Raymond Graf d’Amis, Salim
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