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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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ich zurechtkomme? Noch im schlimmsten Übel lässt sich etwas Gutes entdecken. Nicht alle Deutschen sind gleich, auch wenn die meisten beiseitesehen und nichts wissen wollen. Doch es gibt gute Menschen, Menschen, die alle Anstrengungen unternehmen, um gegen die Ungerechtigkeit
zu kämpfen, auf die Gefahr hin, sich damit selbst Nachteile einzuhandeln. Ich habe Freunde, die mich zu beschützen versuchen, Kollegen, Patienten, denen ich dank meiner ärztlichen Kunst das Leben gerettet habe. Sie tun alles, was in ihren Kräften steht, damit wir hier weiterleben können und nicht verschwinden wie so viele andere Juden. Aber mir ist klar, dass man für uns keine Ausnahme machen wird. Es ist eine reine Frage der Zeit, bis sie auch uns abholen. Eines Tages werden wir das Schicksal der anderen teilen müssen.«
    »Das ist doch Irrsinn! Wie ist das möglich?«
    Gequält sah ihn Bauer an. Er wollte dem Mann keine falschen Hoffnungen machen, wie groß auch immer dessen Verzweiflung sein mochte. »Wir wissen, dass die SA Isaaks Buchhandlung zerstört hat. Anschließend haben sie ihn und Sara schrecklich misshandelt. Eine junge Frau, die für die beiden gearbeitet hat, hat Doktor Haddas gerufen. Wir sind gut mit ihm bekannt, und von ihm haben wir erfahren, dass Isaak mehrere Knochenbrüche hatte. Einige Tage später sind die SA-Leute wiedergekommen, und seitdem hat man weder von den Levis noch von Doktor Haddas und seiner Familie etwas gesehen oder gehört. Natürlich haben wir festzustellen versucht, wohin man sie gebracht hat, aber das ist verlorene Liebesmühe – man erfährt nichts. Es ist, als liefe man gegen eine Wand aus Gummi. Angeblich weiß niemand etwas.«
    »Meine Frau ist vor einigen Tagen in Berlin angekommen. Ich weiß genau, dass sie in der Wohnung der Levis war, denn ich habe das hier gefunden.« Er holte die zertretene Lippenstifthülse hervor, die er in ein Taschentuch gewickelt hatte. »Es hat inmitten der zerstörten Gegenstände auf dem Boden des Badezimmers gelegen. Meiner festen Überzeugung nach weiß
die Blockwartsfrau etwas darüber. Sie will es aber nicht zugeben und hat mich vor die Tür gesetzt.«
    Bauer bat Arnaud, sich zu beruhigen und ihm in Einzelheiten zu berichten, was er seit seiner Ankunft erlebt hatte. Er hörte schweigend zu.
    »Hausmeister, Blockwarte oder auch einfach Nachbarn … viele dieser Leute sind als SA-Spitzel tätig. Sie melden, dass in ihrem Haus Juden leben … dann kommen eines Nachts diese Barbaren und schlagen alles in Stücke. Möglicherweise hat sie Ihre Frau gesehen, aber niemand wird sie dazu bringen können, das zuzugeben. Sie fühlt sich unangreif bar. Ein Jude mehr oder weniger – das spielt im heutigen Deutschland keine Rolle.«
    »Aber ich könnte die Frau anzeigen.«
    »Und worauf wollen Sie die Anzeige stützen? Sie haben nichts in der Hand. Alles, was Sie sagen können, ist, dass Sie einen Lippenstift gefunden haben, der Ihrer Überzeugung nach Ihrer Gattin gehört, und Ihre Vermutung ausdrücken, dass die Hauswartsfrau sie gesehen hat, mehr nicht. Geben Sie sich keinen Täuschungen hin, niemand wird in dieser Sache etwas unternehmen.«
    »Aber wer hat sie dann verschwinden lassen?«, fragte Arnaud mit erhobener Stimme.
    »Die SA, die Gestapo … das Regime. Gehen Sie in Begleitung eines Angehörigen Ihrer Botschaft zur Polizei und erstatten Sie Vermisstenanzeige, aber ich versichere Ihnen, niemand wird einen Finger krümmen, denn dann müssten die Leute gegen sich selbst ermitteln.«
    »Meine Frau ist Französin.«
    »Ich weiß nicht, was vorgefallen ist, aber nach dem, was Sie mir berichtet haben, kann man sich leicht verschiedene Abläufe vorstellen. Möglicherweise ist sie mit der Hauswartsfrau
in Streit geraten, als sie sich nach Isaak und Sara erkundigt hat, woraufhin diese sie denunziert hat und ihre Spießgesellen bei der Gestapo oder der SA sie abgeholt haben. Wir befinden uns gleichsam im Krieg. Natürlich kann Ihre Botschaft alle erforderlichen Schritte unternehmen, doch sofern jemand Hand an Ihre Frau gelegt hat … oder sie als Ergebnis einer Auseinandersetzung, in die sie sich hat verwickeln lassen, ›bestraft‹ worden ist … kann alles Mögliche passiert sein.«
    Arnaud barg das Gesicht in den Händen und begann zu weinen. Was er da hörte, ging über seine Kräfte. Bauer hatte ihm nicht einen Funken Hoffnung gemacht. Er konnte nicht glauben, dass derlei in dem Deutschland möglich sein sollte, das er von früher her kannte. Es war ein

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