Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Die sind einfach so verschwunden. Von solchem ungebildeten Pack kann man nichts erwarten. Diese Leute wissen nicht, was sich gehört.«
»Sicher hat meine Frau Sie nach ihnen gefragt, als sie hier war«, beharrte Arnaud, bemüht, höflich zu bleiben.
Die Frau warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Dabei blitzte in ihren Augen etwas wie Triumph auf. Er war sicher, dass sie Miriam nicht nur gesehen hatte, sondern auch Dinge wusste, die ihr ein Machtgefühl verliehen.
»Sagen Sie mir bitte, was Sie wissen. Ich gebe Ihnen alles, was ich habe.«
»Verschwinden Sie. Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Von Ihnen würde ich nichts nehmen. Ich will nichts von Juden und Judenfreunden.«
Günter begann zu weinen, und Inge Schmid zupfte Arnaud am Ärmel zum Zeichen, dass er mit ihr hinausgehen solle.
»Ich will doch nur, dass Sie mir sagen, wo sich das Ehepaar Levi befindet und ob Sie meine Frau gesehen haben … bitte.«
»Wenn Sie nicht sofort aufhören, mich zu belästigen, ruf ich die Polizei.«
»Von mir aus tun Sie das, aber Sie können mich nicht von
hier vertreiben. Hier wohnen meine Verwandten, und ich bleibe, solange ich das will. Wir werden ja sehen, was die Behörden dazu sagen, dass Sie mich hinauswerfen wollen. Ich werde mich bei meiner Botschaft beschweren.«
Verblüfft sah sie den Mann an, der Deutsch mit französischem Akzent sprach und es wagte, sich ihr zu widersetzen, doch machte sie sich gleich wieder zur Herrin der Situation.
»Tun Sie das, rufen Sie Ihre Botschaft an oder wen Sie sonst wollen. Wir werden ja sehen, was passiert, wenn ich die Sache der Polizei melde.«
»Das ist doch alles nicht nötig«, wandte sich Inge Schmid vermittelnd an sie. »Ich kann Ihnen bestätigen, dass der Herr hier ein Verwandter des Ehepaars Levi ist. Sie können uns also nicht verbieten, uns hier aufzuhalten.«
»Jetzt aber raus!«, brüllte die Frau, schob beide zum Tor hinaus und schloss es lautstark.
Arnaud wollte wieder hineingehen, aber die junge Frau bat ihn, das nicht zu tun.
»Die ruft jetzt bestimmt die SA an. Wenn die kommen … Es ist besser zu gehen. Wir können später wiederkommen.«
»Ich bin französischer Staatsbürger.«
»Hier sind Sie genauso ein unbedeutendes Nichts wie ich. Außer denen gibt es hier niemanden mehr. Man würde Sie durchprügeln und anschließend irgendwo abladen wie eine Fuhre Mist. Sie würden keinen Zeugen finden, niemanden, der etwas davon mitbekommen hat. Man würde einfach behaupten, Sie hätten sich Ihre Lage selbst zuzuschreiben, weil Sie sich mit Verbrechern eingelassen haben. Jede faule Ausrede ist denen recht. Und in Ihrer Botschaft würde niemand einen Finger rühren. Glauben Sie etwa, Frankreich würde Ihretwegen Deutschland den Krieg erklären?«
Schweigend fiel er förmlich in sich zusammen. Er fühlte sich hilfloser als je zuvor.
»Meine Frau war in der Wohnung der Levis«, sagte er kaum hörbar.
»Möglich. Aber da waren die selbst nicht mehr da.«
»Wenn Miriam diese Frau gefragt hat …«
»Wir wissen nicht, was geschehen ist, und wir werden es nicht erfahren.«
»Ich bin aber sicher, dass sie da war. Ich muss mit den anderen Leuten im Haus sprechen. Irgendjemand weiß bestimmt etwas.«
Sie verhielt den Schritt, stellte sich dann vor ihn und sagte mit ernster Miene: »Ich möchte Ihnen gern helfen, aber wir müssen mit Überlegung vorgehen. Sie wissen nicht, auf was Sie sich da einlassen.«
»Aber Sie?«
»Ja. Ich lebe hier, ich habe auf den Straßen Hunderte, wenn nicht Tausende von Juden gesehen, habe miterlebt, wie man ihre Geschäfte und Wohnungen ebenso verwüstet hat wie die der Levis, und ich weiß auch von anderen Leuten, die verschwunden sind – Intellektuelle oder Kommunisten, wie der Vater meines Kindes. Und immer wieder habe ich gemerkt, dass alle um mich herum die Augen davor verschließen. Ich erkläre Ihnen das so ausführlich, weil Sie mir nicht glauben wollen.«
»Ich glaube Ihnen ja«, sagte er nachdenklich, »aber jetzt, wo ich weiß, dass meine Frau hier war, muss ich etwas unternehmen.«
»Daran will ich Sie auch gar nicht hindern. Aber es würde zu nichts führen, jetzt in das Haus zurückzukehren. Ich habe den Schlüssel zum Haustor. Wir können später noch einmal hingehen.«
Der Hauswartsfrau im eigenen Hause erklärte sie, Arnaud sei ein Verwandter von Freunden, der geschäftlich in Berlin zu tun habe, und sie werde ihm für die Dauer seines Aufenthalts ein Zimmer untervermieten.
»Ist das auch eine, was hatten
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