Das Blut der Unschuldigen: Thriller
Chronik über die Vorfälle von Montségur fertigzustellen, die sich jetzt bei Eurer Tochter Doña Marian und ihrem Gemahl, Bertrand d’Amis, in sicherer Hut befindet.
Eines Tages, Herr, wird einer kommen und das unschuldige
Blut rächen, das wir im Namen des Kreuzes vergossen haben, denn ein so großes Blutvergießen kann nicht ungesühnt bleiben. Wo heute Verrat herrscht, werden eines Tages Stolz und Rachedurst auftreten. Ja, Herr, eines Tages wird jemand mit rasendem Ingrimm das Blut der Unschuldigen rächen. Inzwischen bitte ich Euch, Herr, dass Ihr mich zu Euch kommen lasst, damit ich beruhigt sterben kann.«
Angespannt las Arnaud weiter in dem Brief, den er im Archiv einer mit dem Hause Aínsa verwandten Familie entdeckt hatte. Bruder Juliáns Spur zu verfolgen war nicht einfach gewesen, weil er sich anfangs damit begnügt hatte, sie in der näheren Umgebung von Carcassonne und Toulouse zu suchen. Eines Morgens aber, als er aus unruhigem Schlaf aufgewacht war, dessen Träume sich um Miriam und David gedreht hatten, war ihm der Gedanke gekommen, der Dominikaner könnte ähnliche Empfindungen gehabt und sich nach seinen Angehörigen gesehnt haben. Das hatte ihn auf die richtige Fährte gebracht.
Die Arbeit hatte länger gedauert als vorgesehen. Aber war das wichtig zu einer Zeit, da so viele Menschen im Krieg umkamen? Auch wenn die gräfliche Burg inmitten der Trostlosigkeit der Ereignisse in Europa so etwas wie eine Insel der Seligen war – nicht einmal d’Amis hatte die Arbeitsgruppe auf Dauer zusammenzuhalten vermocht, die mit dem Ziel gekommen war, in der Umgebung von Montségur nach Hinweisen auf die Katharer-Vergangenheit zu suchen.
In wenigen Tagen würde es so weit sein, dass er in einem Vortrag an seiner Universität seine Ergebnisse vorstellen wie auch dem Grafen die Wechselfälle im Leben einiger seiner Vorfahren darlegen konnte.
Mehrere Reisen zur Burg der d’Amis waren nötig gewesen,
weil er das umfangreiche Familienarchiv nach Dokumenten und Zeugnissen aller Art hatte durchsuchen müssen. Keiner dieser Aufenthalte hatte länger als unbedingt nötig gedauert. Auch hatte er sich, soweit das möglich war, von den Deutschen in der Arbeitsgruppe des Grafen ferngehalten.
Da ihm jede Begegnung mit diesen Leuten zuwider war, hatte er darauf bestanden, keinesfalls auf der Burg untergebracht zu werden, sondern sich im einige Kilometer entfernten Carcassonne eingemietet. Seinerseits hatte der Graf aus seiner Abneigung ihm gegenüber nie ein Geheimnis gemacht, ihm mit Bezug auf seine Arbeit an Bruder Juliáns Chronik aber weiterhin keine Hindernisse in den Weg gelegt.
Er war an jedem der Orte gewesen, auf welche die Inquisitionsakten verwiesen, und in mittelalterlichen Chroniken nach Spuren der Familie gesucht, die sich bemüht hatte, über Jahrhunderte hinweg die Erinnerung an die Übergabe von Montségur zu bewahren.
Von der Familie des einstigen Feudalherrn von Aínsa lebten außer dem französischen Zweig nur noch einige entfernte Verwandte in Spanien, doch befand sich ihr Archiv in einem Museum am Ort. In diesem Archiv hatte er ebenfalls einige bemerkenswerte Funde gemacht.
Ob außer dem Templer Fernando de Aínsa, Juliáns älterem Bruder, noch jemand jenen Mönch geliebt hatte? Im Familienarchiv derer von Aínsa jedenfalls hatte Arnaud kein einziges Dokument gefunden, das die Existenz dieses Bastardsprosses verzeichnete. Als Don Juan ein Jahr nach Bruder Julián das Zeitliche gesegnet hatte, war der Familienbesitz an Doña Marta gefallen, die verwitwete älteste Tochter, die mit ihren beiden Kindern in der väterlichen Burg Schutz und Zuflucht gefunden hatte.
Zu den Schätzen, die Arnaud unter den Familiendokumenten entdeckt hatte, gehörten Briefe von der Hand Doña Marians, Gemahlin des Ritters Bertrand d’Amis, der das Vertrauen des Grafen von Toulouse genoss, an ihren Vater.
»Lieber Vater, ich empfinde den gleichen Schmerz wie Ihr über den Verlust meiner Mutter. Ich weiß, dass Ihr ihren Entschluss nie verstanden habt, den Familiensitz zu verlassen, um im Dienst der Guten Christen und all jener, die nach der Wahrheit streben, ihr Leben Gott zu weihen. Jetzt, da sie tot ist, möchte ich Euch sagen, dass sie mir, so oft ich in den letzten Jahren mit ihr zusammen war, nie verhohlen hat, wie sehr die Trennung von Euch sie in tiefster Seele bedrückt hat. Kein Mensch hat ihr je näher gestanden als Ihr, nicht einmal ihre Kinder und Enkel. Niemanden hat sie so sehr geliebt wie
Weitere Kostenlose Bücher