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Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Das Blut der Unschuldigen: Thriller

Titel: Das Blut der Unschuldigen: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Navarro , K. Schatzhauser
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Gott und Euch.
    Das Leben hier an Graf Raimonds Hof hat sich tief greifend geändert, und ich gestehe Euch, dass ich Angst habe. Zwar genießt mein Gemahl das volle Vertrauen des Grafen, doch sieht sich dieser, um seine Position halten zu können, genötigt, den französischen König und den Papst zufrieden zu stellen. Zwar haben sie ihm verziehen, doch trauen sie ihm nicht. Hier leben nach wie vor einige Gute Christen, Gläubige gleich uns, und von uns allen erwartet er, dass wir keinerlei Aufsehen erregen. Vor einigen Tagen hat er mit Tränen in den Augen einen seiner engsten Freunde gebeten, in den Schoß der Kirche zurückzukehren, weil er ihn sonst der Inquisition übergeben müsse. Die Dominikaner, die ›Jagdhunde‹ des Papstes, treiben Graf Raimond in die Enge, indem sie immer wieder diesen oder jenen seiner Freunde des Irrglaubens verdächtigen.
    Da weder meinem Gemahl noch mir die unerschütterliche Standhaftigkeit meiner Mutter gegeben ist, haben wir uns der
geänderten Lage angepasst und bemühen uns, niemandes Verdacht zu erregen. Wir begleiten den Grafen zur Messe, auch wenn es uns bedrückt, dass wir vor dem Kreuz niederknien. Mein Gemahl sagt, ich solle nicht darüber nachdenken und im Kreuz einfach ein Stück Holz ohne jeden Wert sehen. Es habe nichts zu bedeuten, dass wir uns vor ihm verneigen, denn das seien bloße Gesten. Doch jedes Mal, wenn ich mich bekreuzige, kommt es mir vor, als verriete ich meine Mutter, und ich fürchte, damit meine Seele der Verdammnis preiszugeben. Das Blut der Unschuldigen schreit nach Gerechtigkeit.
    Verzeiht mir dies Geständnis, Vater, denn Ihr seid ein guter Katholik, dem der Glaube meiner Mutter und der meine viel Schaden zugefügt hat. Da ich Euch aber als großherzigen, guten Menschen kenne, hoffe ich, dass Ihr mir vergebt, wie Ihr gewiss auch meiner Mutter vergeben habt …«
     
    Diesen Brief hatte Doña Marian dem Datum nach mehrere Monate nach der Übergabe von Montségur verfasst. Am Rand des Pergamentbogens fand sich, wohl von Juan de Aínsas Hand, die Anmerkung »arme Tochter«.
    Diese zwei einfachen Wörter warfen ein Licht auf den Schmerz, den jener Mann wohl nicht nur über den Verlust seiner Gemahlin empfunden hatte, sondern auch über die Schwierigkeiten, mit denen seine Tochter zu kämpfen hatte. Vielleicht aber lag darin auch eine Klage über die Verdammnis ihrer Seele.
    Arnaud war auf zahlreiche Hinweise für Don Juans Frömmigkeit gestoßen. So hatte er bereits zu Lebzeiten die Kirche und mehrere Klöster mit Schenkungen bedacht und sich in dieser Hinsicht auch in seinem Testament großzügig erwiesen.
    Im örtlichen Archiv fand sich eine Liste der im Laufe der Jahrhunderte
vom Haus Aínsa gemachten mildtätigen Stiftungen, und erstaunt stellte Arnaud fest, dass einige davon auf Doña Marian zurückgingen. Ganz offensichtlich war es ihr, wie sie es in ihrem Brief an den Vater erklärt hatte, gleich dem Grafen Raimond VII. von Toulouse, darum gegangen zu überleben.
     
    »Mein vielgeliebter und geehrter Vater, ich schreibe Euch in einem Augenblick tiefen Schmerzes. Unser Herr, der Graf Raimond, hat sich genötigt gesehen, achtzig Gute Christen aus Agen auf den Scheiterhaufen zu schicken. In jener Stadt an der Garonne hatten sie friedlich gelebt, wenn auch in beständiger Furcht vor den Reißzähnen der ›Jagdhunde‹ des Papstes.
    Es gab für Graf Raimond keine Möglichkeit, sich zu weigern, und so musste er diese guten Menschen zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilen. Er ist darüber zutiefst betrübt, hat sie, in tiefster Seele gequält, betrauert und mehrere Tage hindurch jede Nahrung verweigert.
    Der gute Graf ist krank und klagt über die Forderungen des Königs und des Papstes. Ich selbst habe miterlebt, wie er diesen Verrat an seinen Untertanen beweint hat. Doch was hätte er tun können?
    Gestern hat er einige getreue Freunde zusammengerufen, unter ihnen mein Gemahl Bertrand. Er hat ihnen dafür gedankt, dass sie in all den Jahren unseren wahren Glauben für sich behalten und ihm auf diese Weise Kummer erspart haben. Aus Treue ihm gegenüber haben wir uns so verhalten, dass niemand unseren wahren Glauben erkannte. Zwar haben wir mit Gesten Verrat daran geübt, aber nie in unserem Herzen.
    Doch nun fürchtet Graf Raimond, was geschehen kann, wenn er dahinscheiden muss, und daher bitte ich Euch, Vater, uns für den Fall Schutz zu gewähren, dass wir Toulouse eine
Weile verlassen müssen. Solltet Ihr uns nicht aufnehmen können, würden

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