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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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Vereinbarung mit Philippe de Montinier vergessen. Aufgeregt setzte sie sich in den Schaukelstuhl, öffnete den Brief und leerte den Inhalt in ihren Schoß. Darin befand sich die Kette, die Marcus immer getragen hatte. Ein rundes Medaillon aus Weißgold an einem Lederband. Auf dem Medaillon waren Schriftzeichen eingraviert und in der Mitte befand sich ein Auge. Dazu hatte er einen schlichten, breiten Ring getragen. Sie fand auch einen Schlüsselbund sowie einen kleinen, zerknüllten Zettel, in dem etwas eingewickelt zu sein schien. Vorsichtig faltete sie den Zettel auf. Ein schwarzes Samtkästchen fiel heraus. Sie öffnete es und erblickte einen Ring aus Weißgold mit einem herzförmigen, blutroten Rubin. Staunend betrachtete sie den vollkommenen Edelstein und die wunderschöne, filigrane Fassung. Mit fahrigen Fingern glättete sie den Zettel. Eine Nachricht stand darauf, krakelig und anscheinend in großer Hast geschrieben, doch Kristina erkannte eindeutig Marcus’ Handschrift.
     
    Kristina,
    Wohin ich auch gehe, mein Herz bleibt bei Dir.
    Auf ewig Dein
    Marcus
     
    Minutenlang starrte sie auf den Zettel in ihrer Hand, während der allumfassende Schmerz, den sie in den Monaten seit Leilas Geburt so mühevoll gebändigt hatte, sie erneut überwältigte. Sie wimmerte und begann, sich vor und zurückzuwiegen, wie ein verwundetes Tier. Achtlos ließ sie das Kästchen aus den Händen gleiten und erhob sich. Der Umschlag mitsamt Inhalt fiel zu Boden. Wie eine Schlafwandlerin schlurfte sie in ihr Schlafzimmer, sank auf das Bett und stand die nächsten zwanzig Stunden nicht mehr auf. Erst als Leila gar nicht mehr zu besänftigen war und um Aufmerksamkeit schrie, quälte sie sich kraftlos aus den Kissen. Sie wollte nicht mehr kämpfen. Sie konnte nicht mehr kämpfen. Sie ignorierte das Klingeln des Telefons, denn auch zum Telefonieren fehlte ihr die Kraft.
    Sie wusste, dass sie ihren Freundinnen mittlerweile lästig war. Ihr Verhalten überforderte sie und sie begannen, sich von ihr abzuwenden. Natürlich nicht offensichtlich, aber sie hatten immer weniger Zeit und riefen immer seltener an.
    Einzig Tania hielt zu ihr und versuchte unermüdlich, ihr einen Funken Hoffnung zu erhalten. Sie war es auch, die am nächsten Abend unangemeldet vor der Tür stand. Da Kristina seit mehreren Tagen weder das Telefon beantwortet noch zurückgerufen hatte, hatte sie anscheinend beschlossen, einfach vorbeizukommen. Kristina ignorierte die Türklingel, doch nachdem Tania sich auf anderem Weg Zugang in das Haus verschafft hatte, klopfte sie an die Tür und rief laut ihren Namen, was Kristina endlich dazu bewegte, zu öffnen.
    Tania rümpfte entsetzt die Nase. „Wann hast du dich das letzte Mal geduscht oder den Schlafanzug gewechselt?“
    Kristina blickte sie teilnahmslos an und zuckte mit den Schultern.
    Tania schob sich an ihr vorbei und schloss die Tür. „Hör zu, Kristina. So geht das nicht weiter. Ich will, dass du morgen früh zu deinem Hausarzt gehst und dir etwas von ihm verschreiben lässt. Du brauchst Hilfe.“
    Kristina rollte genervt mit den Augen. „Sprich nicht wie eine Krankenschwester mit mir! Ich bin keine deiner Patientinnen, du kannst mich nicht bevormunden.“
    Tania fasste sie am Arm und schüttelte sie leicht. „Hallo? Du hast eine Tochter, ist dir das klar? Du sollst es nicht für mich oder für dich tun, tu es für Leila! So kann es nicht weitergehen. Ich weiß, dass Trauer normalerweise ein Jahr dauert und es ist noch nicht mal ein halbes Jahr vergangen seit Marcus gestorben ist, aber du hast eine Verantwortung, Kristina, du darfst dich nicht hängen lassen!“
    Kristina nickte. Plötzlich fühlte sie sich ganz kleinlaut. „Ich möchte mich nicht hängen lassen, aber ich fühle mich so leer und kraftlos, wie ein Schatten meiner Selbst. Ich schaffe das einfach nicht.“
    Tania betrachtete sie nachdenklich. „Okay, hör zu. Schau mich an und hör mir zu!“ Sie bestand darauf, dass Kristina den Kopf hob und sie ansah. „Ich werde dich morgen früh abholen und mit dir zu deinem Hausarzt gehen. Er muss dir was verschreiben, anders geht’s nicht.“
    Kristina nickte resigniert. Sie war sowieso zu schwach zum Widersprechen.
    „Gut, ich bin um neun Uhr da. Bitte dusch dich und versuch, menschlich auszusehen, das heißt kämmen, Zähne putzen und frische Kleidung anziehen, okay?“
    „Nerv mich nicht“, erwiderte Kristina.
    „Wenn du auf mich hörst, dann nerv ich dich auch nicht mehr.“
    Wieder nickte

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