Das Blut der Unsterblichen
weiße Zähne blitzten hervor. Als sie Marcus in ihre Arme schloss, verspürte Kristina einen eifersüchtigen Stich. Die beiden wirkten so elegant und distinguiert, dass sie sich bei ihrem Anblick regelrecht gewöhnlich vorkam. Schnell fuhr sie sich mit den Fingern durch die Haare und befeuchtete die Lippen. Schon kehrte Marcus zum Wagen zurück und öffnete die Beifahrertür.
„Komm, Kristina, ich möchte dir meinen Mentor und Freund vorstellen.“
Nervös stieg sie aus und ging auf die beiden Unsterblichen zu.
„Kristina“, sagte der Mann. „Wie schön, Sie endlich einmal persönlich kennenzulernen. Wir haben bisher ja nur miteinander telefoniert.“ Er bemerkte Kristinas verständnislosen Blick. „Oh entschuldigen Sie. Sie erinnern sich natürlich nicht. Mein Name ist Philippe de Montinier. Vor vielen Jahren habe Ihnen eine betrübliche Nachricht übermitteln müssen.“
„Oh“, sagte Kristina. Er war der Mann, der ihr die Nachricht von Marcus’ Tod überbracht hatte. „Jetzt erinnere ich mich an den Anruf.“
„Das ist meine Frau Estelle“, fuhr Philippe fort.
„Guten Abend. Es freut mich, Sie kennenzulernen“, sagte Kristina.
„Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte sie mit überraschend tiefer, melodischer Stimme, während sie Kristina ihre zierliche Hand reichte. Der französische Akzent verstärkte ihr dramatisches Erscheinungsbild.
„Es freut uns, dass wir kommen durften“, mischte Marcus sich in das Gespräch. „Wir brauchen einen sicheren Ort, von dem aus wir unsere weitere Vorgehensweise planen können.“
„Es ist uns ein Vergnügen, euch bei uns zu haben“, erwiderte Philippe. „Sicher ist Kristina erschöpft und möchte sich erst einmal frisch machen. Ich werde dem Butler auftragen, einen kleinen Imbiss vorzubereiten.“
Er dirigierte sie in das Innere des Hauses. Kristina sah sich staunend um, überwältigt von all der Pracht um sie herum. Auf dem Boden im Eingangsbereich lag ein riesiger Perserteppich, dessen Wert den ihrer gesamten Wohnungseinrichtung sicher bei weitem überstieg. An den Wänden hingen lebensgroße Ölgemälde in goldenen Rahmen. Jedes der durchweg antiken Möbelstücke schien eine eigene Geschichte zu erzählen.
Estelle bemerkte Kristinas staunenden Blick. „Schrecklich, nicht?“, sagte sie. „Es ist als würde man ein Museum betreten. Wir haben das Anwesen so übernommen, wie es jetzt ist. Da wir noch nicht lange hier wohnen, konnten wir noch nicht viel verändern.“
„Oh nein, ich finde es wunderschön. Ich mag es, wenn die Dinge eine eigene Geschichte haben“, erwiderte Kristina.
Estelle lächelte. „Es freut mich, dass Sie daran Gefallen finden. Mein Mann empfindet es ebenso. Ich persönlich hege eine Schwäche für alten Schmuck. Antike Möbel und Gemälde dagegen wecken nur bedingt meine Begeisterung.“
Mittlerweile waren sie im Wohnbereich angekommen. Der holzgetäfelte Raum war mit rustikalen Möbeln und einer braunen Ledercouch ausgestattet und strahlte Behaglichkeit und Wärme aus. Das Feuer im Kamin verstärkte diesen Eindruck. Philippe nahm auf einem breiten Ohrensessel platz. Estelle begnügte sich mit einem Lederhocker. Marcus und Kristina setzten sich auf das Sofa. Ein Butler brachte ein Tablett mit Tee, Kaffee, Wasser und kleinen, randlosen Sandwiches und stellte es auf einem Klapptisch vor Kristina ab. Mit einer leichten Verbeugung entfernte er sich wieder.
„Was möchten Sie trinken, Kristina?“, fragte Estelle, während Marcus von Leilas Entführung zu berichten begann.
Kristina entschied sich für eine Tasse Tee. Obwohl sie Hunger hatte, ließ sie die Sandwiches unangetastet, denn es war ihr unangenehm, ganz alleine zu essen. Außerdem war sie erschöpft und müde und musste mit aller Macht ein Gähnen unterdrücken. Entsprechend schwer fiel es ihr, der Unterhaltung zu folgen. Estelle warf ihr einen prüfenden Blick zu, beugte sich dann zu ihr und legte eine kühle Hand auf ihren Arm. „Kristina, Sie sind sicher erschöpft nicht wahr? Die letzten Tage müssen sehr anstrengend gewesen sein. Wenn Sie möchten, bringe ich Sie in ihr Zimmer hinauf, damit Sie sich ein wenig ausruhen können. Sie müssen sich keine Sorgen machen, hier sind Sie vorerst in Sicherheit.“
Kristina überlegte. Ein wenig Ruhe, um ihre Gedanken zu ordnen und etwas Privatsphäre, um sich frisch zu machen klang wirklich verlockend. Doch erst als Marcus versprach, nach ihr zu schauen, nahm sie das Angebot dankend an und ließ sich von
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