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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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dich vor einem Stück von Margrets Bluse erschreckt?«
    »Es war eben nicht mehr Margrets Bluse. Stoffe nehmen verschiedene Formen an, und dann bekommen sie ein anderes Wesen.«
    »Zum Beispiel? Was hast du gesehen?« »Einen - nein. Ich sage es nicht.« »Warum nicht?«
    »Man kann auch vor einem Bild erschrecken. Ich habe einmal das Bild eines schwarzen Stiers gemalt, der einen Menschen auf den Hörnern davonschleppt. Missis Hawley hatte Angst davor.«
    »Wie erklärst du dir das?«
    »Unsere Phantasie schafft eine zweite Welt.«
    »Und wir erschrecken vor dem, was wir selbst geschaffen haben?«
    »Wir erschrecken vor uns selbst, weil wir uns auf einmal sehen können.«
    »Der Mensch ist sich selbst ein Schrecken?«
    »Wer sollte ihm sonst ein Schrecken sein. Wir haben die Tiere unterworfen.«
    »Aber nicht die Geheimnisse.«
    »Ich dachte nicht, Joe, daß es für dich noch ein Geheimnis gibt.«
    »Weniger als für dich, Queenie, aber eben darum mehr -Geheimnisse, von denen du nichts ahnst. Hast du bemerkt, wie ich mit Missis Shaw zusammen zur Ehre Gottes gesungen habe?«
    »Ich habe es bemerkt, Joe.«
    »War es eine Gotteslästerung?« »Vielleicht ist sie ein einfaches Gemüt.« »Hast du ihr Gesicht gesehen?« »Ich habe es mir angesehen.« »Ihre Maske ist Mehlbrei.« »Und die deine, Joe?«
    »Eisen oder Seide, wenn es um Geister geht.« »Und gegenüber den Menschen?« »Fleisch und Blut.« »Verletzbar.«
    »Das ist wahr. Darum muß ich mir eine zweite borgen. Wie einst du.«
    »Joe, die Sommernacht ist mildwarm, der Himmel hat sich mit Sternen betupft, die Kiefern stehen abgezirkelt und still, es riecht nach Harz und nach Benzin, die Präsidentengesichter leuchten in den Scheinwerfern, die Tassen klappern, die Leute schwatzen, das Eis im Becher ist kühl und süß. Geister können hier nicht ihr Klima finden, und dennoch schwirren sie umher, weil du sie rufst.«
    »Ich rufe sie aus den abgezirkelten Kiefern, die harzig und schwarz und voller Holzwürmer sind.«
    »Hör auf, Joe, mir graut noch vor meinem eigenen Schrecken. Die Maske war das Schwarze. Kann eine Maske sich selbständig machen? Kann sie einen Menschen machen - nach ihrem Bilde?«
    »Das frage ich mich eben. Macht die Maske den Menschen?«
    »Der Mensch macht die Maske. Joe, aber vielleicht wird sie ein Ding für sich, sobald sie sich aus unseren Händen gelöst hat. Es ist ein Stück von uns hineingegeben - das hat noch Kraft. Bilder sehen uns an, Joe! Warum mußtest du das tun? Warum bist du mir als dieses Bild erschienen? Ich weiß nicht, ob ich es je wieder vergessen kann.«
    »Die Sache wird nicht klar. Ich werde das Schicksal herausfordern und mich in das Reich der Maskengeister wagen. Ob ich den Weg zurückfinde, muß sich zeigen.«
    »Joe, sei still! Sei still!«
    »Die Rechnung bitte.«
    Joe warf einen Blick auf die Summe, legte das Geld unter das umgewendete Formular und ging mit Queenie zum Wagen.
    Auf dem Rückweg nahm er die Kurven noch bedenkenloser. Er hielt bei Margrets Hütte an, um seine Frau aussteigen zu lassen, und fuhr sogleich weiter. Queenie verbarg, was sie empfand, und legte sich mit Margret zu Bett.
    Unterdessen hatte Esmeralda O'Connor, verehelichte Horwood, die Wirkung des starken Schlafmittels endlich überwunden. Sie fühlte, daß ihr Gehirn wieder aktionsfähig wurde und suchte sich aus der Wirkung der Träume zu befreien. Vermutlich wurde es schon Tag. Sie brauchte nur die Augen aufzumachen, und schon mußten die Schreckbilder, die ihr der Traum vorgegaukelt hatte, verschwinden. Es war weiter nichts notwendig, als die Lider aufzuschlagen und sich die Wirklichkeit eines bürgerlich eingerichteten Schlafzimmers zu besehen.
    Der Koffer war gepackt. Sie würde frühstücken und die Reise mit ihrem Wagen beginnen. Sie würde mit ihrer Tochter zusammen frühstücken, falls das Mädchen schon wach war. Wenn das Mädchen noch schlief, würde sie - Nein, sie würde nicht einmal einen Brief hinterlassen. Oder war es verfrüht, schon in diesem Moment aus der Sphäre der Legalität zu entweichen? Es war zu früh. Sie würde also zunächst die Augen öffnen. Esmeralda fühlte noch mit geschlossenen Lidern nach dem Schlüsselbund, das neben ihr auf dem Tischchen lag. Gut.
    Als sie die Augen öffnete, vermochte sie nicht einmal mehr zu schreien.
    Auf der Kante am Fußende ihres Bettes saß der schwarze Mann mit der schwarzen Maske, Handschuhe über den Händen. Esmeraldas Augen weiteten sich. Sie brachte noch immer keinen Ton

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