Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
um eine allgemeine Schulregel, sondern um irgendein ganz Persönliches ging, daß dies die Stelle war, an der ihn einmal eine Mücke bösartig gestochen haben mochte. Sie witterten auch beide, daß es sich nun um die Ehre ihrer Lehrerin handelte, der sie zugetan waren und die sie gegen Mr. Teacock beschützen wollten. Sie waren noch sehr klein, die beiden braunhäutigen Buben mit den gestutzten schwarzen Haaren, aber sie wollten ihre Miss Lawrence gegen den mächtigen Geist Theodore Teacock beistehen.
David hatte das Treuegelöbnis zum Sternenbanner schon daheim bei der Mutter wie ein Kindergedicht gelernt; Margot Adlergeheimnis wußte, wie wichtig es für ein Indianerkind in der Schule war, das Gelöbnis aufsagen zu können, und sie wollte David alle Schwierigkeiten ersparen. Wakiya-knaskiya hatte in der Schule zum erstenmal von diesem langen Spruch gehört und konnte überhaupt nur wenige Worte Englisch. Aber als David begann, ohne Zögern und gleich mit den Erklärungen für Kinder zusammen vorzutragen, sprach Wakiya mit. Er lernte leicht auswendig, und David hatte in der Klasse schon öfters vorsprechen dürfen. Was die Worte alle bedeuteten, ahnte Wakiya kaum; er hätte ebensowohl lulalei sagen können, aber da es sich nun um dies und nichts anderes und um Miss Lawrence gegen Mr. Teacock handelte, sprach er mit David zusammen im gleichen Rhythmus, fließend, sicher, ohne Scheu das Gelöbnis samt den Erklärungen für die Schüler:
»I pledge allegiance
I promise to be true to the flag of the United States of America,
to the flag of the United States of America,
and to the republic for which it stands,
and to the government for which it stands,
one nation under God,
one country with God's help,
indivisible,
which cannot be divided, with liberty and justice for all, where all people are free and have the same rights.«
Miss Lawrence machte ihre kugelrunden schwarz-weißen Augen auf, denn einen solchen Erfolg hatte sie nicht erwartet. Auf den hageren Wangen von Theodore Teacock blieb das Rot stehen, als ob es über den Wandel seiner eigenen Bedeutung überrascht sei.
»Gut, sehr gut! Sehr gut! Ihr seid zwei gute Boys und könnt der Stolz unserer Schule werden, David Crazy Eagle und Byron Bighorn!«
Selbst das Bighorn schlüpfte jetzt ohne Hemmung über Theodore Teacocks Zunge und durch seine schmalen Lippen. Es war in diesem Augenblick eine glänzende Sache und Stoff einer neuen Schullegende. Zwei fünfjährige Indianerkinder hatten das Treuegelöbnis ohne Stocken aufgesagt! Bei diesem Glanze blieb es auch nach außen hin, und der Direktor der Schule erfuhr davon. Da er bald abgehen und einer indianischen Rektorin Platz machen sollte, freute er sich ganz besonders über das unerwartete Zeugnis der Erziehungserfolge bei den ihm anvertrauten Schülern. David und Byron galten für einige Zeit als die Sterne der Schule, ohne das selbst zu wissen. Außerhalb der Schule erfuhr nur Margot Adlergeheimnis davon, war glücklich und schwieg.
Aber unter dem prächtigen Deckmantel solchen Glanzes rührten sich Keime des Dunklen, die Theodore Teacock ganz unwissentlich erzeugt und gepflanzt hatte. Nach der Weise unzulänglicher Sieger hatte es ihm nicht genügt, sich an einem einfachen Siege einfach zu freuen oder sich damit zu bescheiden, daß er ein Steckenpferd mit Leichtigkeit durchs Ziel geritten hatte. Er hatte sich gedrängt gefühlt, auch noch das zweite aus dem Stall zu holen, das der ganzen Lehrerschaft, so auch Miss Lawrence, und vielen Schülern in den oberen Klassen, aber noch nicht den Beginnern David und Byron bekannt war.
»David und Byron, ihr seid gute Schüler, und wenn ihr auch verbotenerweise die primitive Sprache gesprochen habt, die euch in Schule und Leben niemals weiterhelfen kann, so sollt ihr doch diesmal nicht bestraft werden. Miss Lawrence?«
»Ja, Mister Teacock?« Miss Lawrence hielt die Lider gesenkt, um das Lächeln ihrer Augen zu verbergen.
»Sie sind auch der Meinung, daß die beiden Kinder diesmal nur verwarnt werden?«
»Ich bin auch der Meinung, Mister Teacock.«
»Gut. Ihr werdet künftig in der Schule stets englisch sprechen, David und Byron, und euch dadurch selbst nützen. Ihr werdet den richtigen Weg gehen, um gute Bürger zu werden. Schüler, die nicht Englisch lernen mögen, sind auf einem falschen Wege. Sie werden nur zu leicht Diebe und Mörder, wie es Joe King geworden ist, der die schöne Sprache unserer Welt dann im Gefängnis zu lernen hatte und nun ein
Weitere Kostenlose Bücher