Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
Auswurf der Menschheit geworden ist.«
Von dieser wohlgesetzten Rede begriff David einiges, Wakiya aber nichts als den Namen Joe King, der für ihn schon mit dem Namen Inya-he-yukan verbunden war. Aus dem Tone, in dem Theodore Teacock gesprochen hatte, fühlte Wakiya die Verachtung gegen Joe King heraus, und von diesem Augenblick an haßte Wakiya-knaskiya Theodore Teacock, mit dem ganzen Haß, den ein Kind der Prärie fühlen konnte. Wakiya hätte Teacock ohne Bedenken auf der Stelle skalpiert. Bis dahin waren Geister für Wakiya etwas Fernes, Fremdes, Furchterregendes, Verächtliches und auch Hassenswertes gewesen; sie lebten in ihren Geisterhäusern, deren eines die Schule war, und Wakiya mußte sich in acht nehmen, daß er sie nicht zu nahe streifte. Jetzt hatten sie in einer Gestalt Fleisch und Blut angenommen; da stand ein Geist, der Kleider trug, sprach und mächtig war, ein Lehrer. Er wagte es, Inya-he-yukan zu beleidigen. Diese seichten wasserblauen Augen wollten in die Nacht schauen, die sich nicht in ihnen spiegeln konnte.
Mit seiner Liebe, die aus der Begegnung mit den verlorenen Augen wie ein Quell entsprungen war, und mit seinem Haß, der in diesem Augenblick aus dem Dunkel emporschnellte, setzte Wakiya sich zur Stunde eine Aufgabe. Für einen kleinen Buben war es eine große Aufgabe. Wakiya wollte in Erfahrung bringen, was dieser Teacock über Inya-he-yukan - Joe King zu sagen gewagt hatte. Seinen Mitschüler David mochte Wakiya nicht fragen, denn er traute David nicht zu, daß dieser alle die fremden und schwierigen Worte richtig verstanden habe. Er fürchtete sich auch davor, daß David schlechte und beleidigende Worte gegen Inya-he-yukan wiederholen müßte; das wäre wie ein >Coup< gewesen, wie das nochmalige Berühren eines schon verwundeten oder gefallenen Kriegers durch einen Feind; den Coup mußten Freunde und Brüder des Verletzten selbst unter Todesgefahr verhindern. Wakiya konnte David nicht fragen. Seine Lehrerin Miss Lawrence aber konnte Wakiya auch nicht fragen, denn er verstand und sprach zu wenig Englisch. Wakiya wollte mehr Englisch lernen, um seine Feinde besser belauschen zu können. Er mühte sich darum, doch es war sehr schwer für ihn, da die Mutter von den zwölf Wörtern, die sie von der Schule her noch gekannt hatte, unterdessen wiederum drei vergessen hatte und Wakiya nicht zu helfen vermochte.
Mit solchem einsamen Denken, Fühlen und Grübeln wurde Wakiya im folgenden Herbst Schüler der ersten Klasse. Er verlor dabei seinen Freund David, da dieser die erste Klasse überspringen durfte und sogleich in die zweite versetzt wurde. Susanne Wirbelwind schmollte und lernte wie besessen. Zu Weihnachten durfte auch sie schon in die zweite Klasse übergehen. Unter den verbleibenden Schülern galt Byron Bighorn als einer der besten. Sein Ruhm als vorzüglicher Schüler stammte immer noch aus seiner Begegnung mit Mr. Teacock und übertraf bei weitem das, was Wakiya wirklich wußte. Aber da er hin und wieder durch eine kluge Antwort überraschte, schwebte die Seifenblase des Ruhms lange, ohne zu platzen.
Wakiya lernte nun schon biblische Gedichte. Die Engel auf den Bildern trugen die Federn an der falschen Stelle, und Wakantanka, das große Geheimnis, das die Geister Gott nannten, sowie sein Sohn hatten einen Bart. Das war einer der Irrtümer der Geister, die nicht wissen konnten, was ein Geheimnis war; am wenigsten wußten sie vom Großen Geheimnis. Doch hörte Wakiya erstaunt und wißbegierig, wie das Volk Israel verfolgt worden war. Er glaubte, daß dies seine Vorväter gewesen sein müßten, lernte die Namen, Worte und Taten mit großem Eifer und wurde wieder einmal gelobt.
Mit diesem Lob kam er zu Weihnachten nach Hause. Er stapfte mit schlechten Schuhen durch den Schnee, steckte die fröstelnden Hände in die Hosentaschen und fror im Nacken, weil seine Haare kurz geschnitten waren. Am Weihnachtsabend stellte die Mutter einen kleinen Fichtenbaum in der Blockhütte auf und schürte den Ofen kräftiger als sonst ein, so daß das Holz in den Flammen knackte. Für Kerzen reichte das Geld nicht. Aber der Mutter war es darum auch nicht zu tun. Sie erzählte den Kindern, daß der Baum heilig war und wie die jungen Männer das Sonnenopfer bei einem Baume bestanden. Mit aufgerissenen Augen hörte Wakiya zum erstenmal, wie ein Sonnenopfer vor sich ging und welche Qualen junge Männer dabei freiwillig auf sich nahmen. Seine jüngeren Geschwister begriffen noch nicht viel
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