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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gegangen.« »Es kann nicht sein.«
    Wakiya lehnte sich an Tashina. Ihre Augen waren ein einziger großer Kummer wie die Augen einer Tiermutter, die ihr eigenes Junges verloren hat. Es schien Wakiya, als ob hinter dem Schimmer des Mondes sich das Dunkel der Nacht aufgetan habe.
    »Mutter Tashina, es ist wahr. Der Sturm hat Rotadlermädchen nicht berührt, und doch hat er sie getötet. Ihre Seele wandert den weiten Weg. Vielleicht wird Mutter Eliza ihr bald folgen, damit sie den lagen Weg nicht allein gehen muß.«
    Wakiya-knaskiya hatte sacht und ruhig gesprochen, aber nach den letzten Worten war seine Kraft zu Ende. Er hatte sie seiner Wahlmutter Tashina geschenkt, und er selbst fiel zusammen. Er kniete sich auf den Boden, legte den Kopf auf das Bett, auf dem die für immer still gewordene Schwester lag, und schluchzte. Sein Körper zuckte. Untschida streichelte ihn.
    Als der Arzt kam, stellte er den Tod Rotadlermädchens fest, Tod durch Versagen des Herzens. Es war ein kurzer Besuch, und Eivie konnte ihn kaum vor sich selbst verantworten, denn Sturm und Feuer hatten Menschen getötet und verletzt, und im Hospital warteten mehr Menschen und Bahren, als Hilfe vorhanden war.
    »Ihr Mann, Bob und Robert, leisten das Übermenschliche und sind noch immer ohne Schlaf beim Helfen... Missis King. Ich grüße Sie... und grüße von Ihnen... ja?«
    Queenie nickte abwesend. Sie dachte an Eliza, die Mutter, und auf ihr lag das Gewicht des toten Kindes, das immer schwerer wurde.
    Das Regenwasser floß ab. Untschida wischte den Boden der Hütte auf. Wakiya und Hanska suchten die Bretter des abgedeckten Daches zusammen, soweit sie sie noch finden konnten. Melitta und Percival, die beiden von der Schulranch, reparierten die Ställe des Kleinviehs. Mary stellte die Motorpumpe an und kümmerte sich um die Pferde, die auf die nasse Weide getrieben werden mußten. In stillem Einverständnis hatten es alle Queenie überlassen, bei dem toten kleinen Mädchen zu wachen und mit schmerzverzogenem Gesicht zu lächeln, da die Zwillinge noch nichts von Tod und Abschied wußten, sondern harmlos, wenn auch leise und irgendwie horchend und fragend, zu spielen begannen. Über Queenies Züge, in denen immer der Reiz und das Geheimnis der Frau gewebt hatten, über den Schimmer ihrer Augen legte sich die Muttersorge. Sie allein hatte diese Stunden zum Grübeln, während alle anderen tätig waren. Ihre Phantasie, aus den Urgründen altindianischer Vorstellungswelt gespeist, quälte sie wieder. Sie hatte Rotadlermädchen gemalt. Was hatte sie dazu getrieben? Sie hatte geglaubt, daß sie dieses Bild haben müsse. Nun besaß sie es, aber das Mädchen war tot. Es war von ihr gegangen. Hatte Tashina die Seele der Lebenden herausgezogen und in das Bild gebannt? So hätten die Altvorderen geglaubt. Queenie schauderte vor dem Wahnsinn des Gedankens und konnte ihn doch nicht verscheuchen; der Gedanke flatterte wie ein Habicht um seine Beute. Sie hatte ein Totenmal geschaffen, als Rotadlermädchen noch lebte und doch schon vom Tode gezeichnet war.
    Queenie mußte zu Eliza gehen und ihr sagen, daß Rotadlermädchen gestorben war. Queenie hatte die Zwillinge in den Armen gehalten und mit ihrem Körper beruhigt und gewärmt, während Rotadlermädchen ohne Mutter auf den Decken am Boden lag, umgeben nur von der Angst ihrer Brüder. Rotadlermädchen hatte Abschied genommen von der Prärie, die sie fürchtete. Im Boden der Prärie, die ihr den Tod gebracht hatte mit ihrer Einsamkeit, mit ihren Leidenschaften, mit ihren Stürmen, würde sie begraben sein. Queenie konnte das Grab des Kindes jeden Tag besuchen, und sie konnte sich jeden Tag vor sich selbst scheuen, weil sie vielleicht eine Mörderin war. Sie hatte das fremde Mädchen nicht genug behütet. Es war fortgegangen. Weit, weit fort. Da es niemand sah, legte Queenie die kalte Hand des Kindes auf ihre heißen Augen. Wer konnte ihr verzeihen? Sie wollte nur noch Mutter sein und nichts mehr für sich haben, nichts. Aber die Zwillinge spielten wie das Leben, das sich um keine vergangene Zerstörung kümmert. Ihre kindliche Freude wucherte.
    Werden und Vergehen.
    Wie fern bist du, James Clark, wie klein erscheinst du in der Ferne - wie ganz und gar verschwunden. Chemie! Hier aber lag nicht ein Klumpen Eiweiß. Hier lag Rotadlermädchen, und ihre todtraurigen Augen waren ganz tot. Bald würden die Würmer sie verzehren.
    Tashina heulte auf wie ihre Ahnen in den Klagegesängen, die sie vielleicht von den Wölfen in

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