Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
findest du. Der Elch, den ihr damals nicht abgeschossen habt, lebt noch. Er gehört dir, wenn wir das Fell bekommen. Was willst du sonst schießen?«
»Adler.«
»Zwei kannst du haben.«
Joe geriet in Feuer. Die Buben nicht weniger.
»Wie ist es mit einem Bären, Vetter Collins, falls mir einer begegnet?«
»Einen, wenn du uns das Fleisch läßt. Falls du dem alten Grizzly in den Weg laufen solltest - das ist ein sehr gefährlicher Bursche, stark und gerissen. Hast du schon einmal einen Bären erlegt?«
»Nein.«
»Dann nimm dich in acht. Ich werde dir noch ein paar Tricks erklären. Mit einem Grauen Bären mußt du wie mit einem Mann kämpfen. Mit einem gefährlichen Mann. Mit einem sehr zähen Mann.«
»Mit seinem Geist«, sagte der fremde Zauberer. »Wenn du einen Grizzly tötest, tötest du einen Menschen. Aber nimm dich in acht. Du bist zu unruhig gestimmt für eine gute Jagd.«
Joe war höflich genug, der Einsichtnahme in sein Inneres nicht mit Spott zu begegnen, wie er es gern getan hätte.
Der alte Zauberer erlaubte sich, noch weiter zu warnen.
»Hast du viel Zeit, Joe King, Tage und Nächte?«
»Nicht die Zeit des indianischen Jägers. Die Schulzeit der Geister setzt mir die Grenze.«
»Du bist zu unruhig. Bären, Elche, Adler - in ein paar Tagen? Glaubst du selbst, daß du noch ganz bei Verstand bist?«
»Nein, das glaube ich nicht. Eben darum will ich es versuchen. Eine Kugel ist schnell. Fragt sich ja nur, ob die Tiere kommen.«
»Es gibt noch mehr Rätsel, als du glaubst. Ochguchodskina. Auch wenn die Tiere alle kommen.«
Ochguchodskina lautete der Name >Stein hat Hörner< in der Sprache der Siksikau.
»Du hast recht, würdiger Mann.«
Der Zaubermann verstummte wieder, und das Gespräch wandte sich technischen Problemen der Bärenjagd zu. Joe stellte dazu viele und sehr präzise Fragen.
Beim Abschied kreuzten sich die Blicke des Zaubermannes und die Inya-he-yukans, ohne daß einer vor dem andern ausgewichen wäre. Sie waren beide stark.
Der Geheimnismann sprach dabei noch einmal. »Es hat einen Tag gegeben, Ochguchodskina, an dem du einen Elch nicht abgeschossen hast, weil du ihn nicht zur Nahrung brauchtest. Du hast mit deinem Wahlvater zusammen gehandelt wie ein Indianer. Du gehst jetzt in den Wald und auf den Berg, um zu töten, die Federn des Adlers und ihre Kraft zu gewinnen und Fleisch zu machen. Du hast aber zuviel Freude am Töten. Werde wieder ganz ein Indianer.«
Joe King war noch Indianer genug, um diesen Worten nicht zu widersprechen. Er selbst fürchtete an einer verborgenen Stelle seines Innern, daß die reine Erinnerung, die er an jene Tage vor drei Jahren in sich hegte, durch eine Wiederholung des nicht Wiederholbaren zerrissen werden könnte. Und doch war es eine alte und gute Sitte, die Kinder dahin zu führen, wo ihre Väter und Vorväter gewesen waren. Er war entschlossen, das einsame Tal in dem großen Felsengebirge aufzusuchen.
Die Fahrt dahin, die Berge vor Augen, wurde kühn und erfrischend vom Morgen über den dunstigen Mittag bis zu dem kühlen Abend. Mit sinkender Sonne befanden sich Joe und die Kinder schon einsam und allein in der Bergwildnis, fernab der Straßen, die Geister fahren durften, am Ende dieser platten Schlangen überhaupt. Gras, Steine, Bäume, Erde, Wasser beherrschten von nun an das Revier, und aller Lärm war hinter der großen Stille versunken und vergessen.
Die Sonne sank. Sie verschwendete ihre Pracht und lieh sich selbst den grauen Felsen, dem stumpfen Moos und den dunklen Tannen; sie spielte mit ihrem Licht in der Quelle, als ob sie eitel sei und Schmuck der sprühenden Perltropfen gebrauche, um sich von allen Seiten zu zeigen. Über roterdigen Grund glitt der Bach, fing seine Tropfen wieder ein und spiegelte viele Farben in ihnen. Inya-he-yukan hatte mit seinen beiden Wahlsöhnen das Zelt bezogen, aber noch war es nicht Zeit zur Schlafensruhe. Die drei gingen am Ufer umher. Der Duft von Erde, Blumen, Tannen und Wasser schwang sanft in dem Winde, der aus den Tälern und von den Gipfeln herbeiwehte. Die Sonne zog ihre Strahlen ein und wurde zu einer feurigen Scheibe, die sich dem höchsten Grat des Gebirges näherte. Sie bereitete sich selbst den würdigen Abschied. Die Schatten wuchsen blau, dann grau, endlich schwarz. Ihre Stunde war gekommen; sie siegten über das Licht und gebaren aus sich Schweigen und Rascheln, Lauern und Huschen, Schlafen und Wiegen, gute und böse Träume.
Inya-he-yukan und die beiden Buben gingen noch immer
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