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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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über die saftigen Wiesen auf weichem Grund am Ufer entlang, und sie lauschten auf die Stimmen von Wald und Wasser. Jeder der drei war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Inya-he-yukan hatte an diesem Abend Sehnsucht nach Tashina.
    Des Nachts schliefen die drei zusammen im Zelt. Wie sie sich darin unterbrachten, war nun schon zur Gewohnheit geworden. Die beiden Buben blieben länger wach als sonst, da die Aussicht auf die Jagd sie nicht schlafen ließ. Inya-he-yukan erzählte mit leiser Stimme Geschichten von Elchen, Luchsen und Forellen, von Inya-he-yukan dem Alten und dessen Freund Stark wie ein Hirsch, und endlich entschlummerten Wakiya-knaskiya und Hanska. Dann schloß auch Joe die Augen und träumte von Tashina.
    Vor Morgengrauen waren die Schläfer schon wieder wach und wuschen sich am Bach, dessen Wasser die Haut kälter und kecker traf und noch mehr erfrischte als Brunnenwasser. Sie blieben nackt bis auf Gürtel und Lendenschurz, barhäuptig, barfuß wie einst ihre Ahnen. Joe nahm sein Jagdgewehr, über die Schulter zwei Patronengurte, die Pistolen in den Achselhalfter. Das Lasso hatte er am Gürtel befestigt, das Stilett befand sich in der Scheide. So war er für alle Arten der Jagd und der Verteidigung gerüstet. Hanska strahlte, als er seinen Wahlvater als Jäger sah. Wakiya-knaskiya schaute nachdenklich zu den Bergwäldern, in die er jetzt eindringen durfte. Er fühlte den Geist des alten Inya-he-yukan, der mitging, und er dachte an den Tag, an dem er dem jungen Inya-he-yukan zum erstenmal begegnet war.
    »Was denkst du, Wakiya-knaskiya?«
    »Du bist zwei Menschen, Inya-he-yukan, darum hast du zwei Söhne.«
    »Wie meinst du das, Wakiya-knaskiya?«
    »Du bist ein Schütze, Inya-he-yukan, und ein Träumer.«
    »Ich verstehe, Wakiya. Du bist ein Denker, und Hanska ist ein Rancher. Aber ein Denker handelt auch, und ein Rancher denkt.«
    »Hau.«
    Der Aufstieg begann. Joe mäßigte seinen Schritt mit Rücksicht auf die Kinder, wie er ihn vor Jahren mit Rücksicht auf den Alten gemäßigt hatte. Es störte ihn in dieser Stunde nicht, mit seinen Kräften nur zu spielen. Er liebte es, der Erde unter seinen Füßen zu begegnen, den Tau zu spüren, runde Steine, sich neigendes Gras und holzige Wurzeln, die am Steilhang Halt boten. Er hielt sich möglichst am Bachufer, glitt zwischen Zweigen hindurch, hielt die ungebärdigsten fest, bis die Kinder nachgekommen waren, und ließ sie dann zurückschnellen, die Menschenhand abschütteln. Wo der Wald zu dicht wucherte, schlug er den Pfad mit dem Beil frei. Hin und wieder verweilte er, zeigte den Jungen Spuren und lehrte sie, auf die Stimmen der Vögel zu lauschen. Die drei den ganzen Tag hindurch aufwärts, allein mit Bergen und Bäumen, Wind und Wasser, und selbst in ihrem Rücken war die Luft rein und vollkommen still. Nur der Bach rauschte sein Lied für sich selbst wie seit Jahrtausenden.
    Gegen Abend gelangten Joe und die Kinder zu einem köstlichen Platz. Der Bach hatte die Erde auf seinem Grunde fortgeschwemmt und auf Fels gegraben. Von Stufe zu Stufe sprühte er in kleinen Wasserfällen hinab, quirlend, plätschernd, Schleier bildend. Da und dort waren die Ufer unterhöhlt. Inya-he-yukan trat lautlos heran, kniete sich an den Uferrand und griff darunter. Als er den Arm wieder hob, hatte er eine große Forelle mit bemoostem Rücken in der Hand. Er tötete sie schnell. Hanska rannte mit dem Beil nach Holz, Wakiya brachte die frischen Zweige mit Geduld zum Brennen. Der Fisch wurde geröstet. Die Jungen wußten, wo sie saßen, obgleich sie noch nie hiergewesen waren. Aber sie hatten von allem gehört, was sich an diesem Platz ereignet hatte, seitdem Inya-he-yukan der Alte und Stark wie ein Hirsch mit zwölf Jahren an der gleichen Stelle vor einem Jahrhundert einmal Forellen gefangen hatten. »Meinst du, Vater Joe, der Alte lebt wirklich noch?«
    »Der Elch, dem ich mit Inya-he-yukan dem Alten zusammen begegnet bin? Sicher, Hanska. Unser Vetter Collins sagte es ja. Der Bulle lebt noch. Aber die Tränke hier scheint er schon lange nicht mehr aufgesucht zu haben; ich finde keine Zeichen dafür, daß er hier noch wechselt.«
    »Wirst du den Elch diesmal erschießen, wenn wir ihn irgendwo aufspüren?«
    »Warte ab, Hanska. Du mußt nicht so voreilig reden.«
    Es wurde Zeit, an den Schlaf zu denken. Aber vorher lockte noch das Bad. Die drei gingen in den Bach, der sich auf der breiten Stufe eine Wanne gegraben hatte; die Wasserschleier fielen darüber. Hinter und

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