Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
vor den Schleiern, die im Mondschein glänzten, ließ sich spielen, und das Lachen in der beginnenden Nacht war wie der erste Takt einer gelösten Schlafmelodie.
Hanska überlegte im stillen, ob des Nachts Luchse kommen könnten.
Es wurde kühl, und die drei hatten das nicht mitgenommen. Sie suchten sich einen geschützten und trockenen Platz, Hanska breitete die Decke aus, die er getragen hatte, und die drei ruhten in der Sommernacht eng beieinander, um sich zu wärmen. Eine Stunde nach Mitternacht brachen sie wieder auf und wanderten weiter, immer der Höhe zu. Sie kamen zu einem Hochmoor, das kahl lag und einen weiten Rundblick gestattete. Wakiya fand Elchspuren, und die Buben staunten über die Breite und Tiefe der Eindrücke. Doch waren die Spuren nicht frisch, und es ergab sich kein Anzeichen dafür, daß der Elch sich noch in der Nähe aufhielt. Da die Jungen müde und hungrig wurden, empfahl ihnen Joe, sich Beeren zu suchen, ehe man weiter an den Proviant heranging, den Wakiya im Ledersack über der Schulter mitgetragen hatte.
Joe selbst machte sich mit seinem Jagdgewehr auf den Weg. Nach Stunden kam er zurück. Er hatte kein Wild angetroffen, das zu erlegen sich lohnte. Doch war er auf wichtige Spuren gestoßen, die abwärts führten, Elchspuren und Bärenspuren. Den Buben wurde es noch wärmer, als es ihnen unter der Morgensonne am Rande des Moores ohnehin gewesen war. Hanska fragte schüchtern, ob er und Wakiya wieder mit Pistole und Gewehr üben dürften, wie sie auf der langen Reise des öfteren getan hatten. Aber Joe meinte nur, Hanska möge sich doch selbst die Antwort geben. Die Antwort aber lautete, daß Jäger nicht zum Vergnügen in die Luft schossen, wenn die Gefahr bestand, damit Wild zu verscheuchen. Hanska, zum zweitenmal beschämt, beschloß, nicht so bald wieder eine unüberlegte Frage zu stellen.
Joe saß lange ruhig und schweigsam, kaute Gras und blieb so in sich versunken, als ob er sein Leben weiter an diesem Platze verbringen wollte. Am späten Nachmittag erst kam er wieder in Bewegung. Er nahm sein Jagdgewehr zur Hand.
»Macht die Augen auf, Wakiya und Hanska!«
Die Buben spähten umher, doch konnten sie nichts entdecken als eine Kröte im Sumpf, die Joe wohl kaum erschießen wollte. Der Wahlvater lächelte. Er freute sich an der Verlegenheit seiner Söhne. Hanska runzelte die Stirn. Auf einmal wußte er, worum es ging. Fern, kaum wahrnehmbar, gegen Norden zu schwebte ein Punkt in der Luft.
»Inya-he-yukan! Ein...?!«
»Ein Adler, hau. Aber ich weiß nicht, ob er hierher kommt. Und wir haben keine Zeit mehr, ihn fern von hier aufzuspüren.«
Keine Zeit mehr! Hanska fuhr zusammen.
Alle Blicke hingen an dem Punkt, der deutlich die Gestalt des mächtigen Raubvogels annahm.
Er zog herbei.
Inya-he-yukan wartete.
In weiten Kreisen zog der Adler herbei.
Inya-he-yukan lud durch. Aber noch war der große Vogel nicht in Schußweite, und es konnte sein, daß er zu früh wieder abzog. Es war schlecht Jagen, wenn man mit der Zeit rechnen mußte. Mit der Schulzeit! Für Jäger durfte nichts wichtiger sein als das Wild. Aber die Geister hatten es anders bestimmt.
Der Adler zog herbei.
Hoch schwebte er, von den Winden getragen, im Blau des Himmels, vom Licht umflutet. Seine Schwingen rührten sich kaum. Inya-he-yukan hob die Schußwaffe, zielte und nahm die Waffe wieder ab. Der Adler war höher gegangen, zu hoch für einen gezielten Schuß. Aber der Raubvogel blieb über dem Moor, und vielleicht hielt er einen der beiden kleinen Menschen, die hier standen, für eine mögliche Beute. Es war, als ob er in der Luft verharre.
Inya-he-yukan legte wieder an.
Der Adler rührte die Schwingen. Er schien abziehen zu wollen. Inya-he-yukan nahm es auf sich, vor sich selbst als ein ungeduldiger, schlecht berechnender Jäger zu gelten, der eine Beute mit einem voreiligen Schuß verscheucht. Nur vor sich selbst, denn niemand als im Waidwerk unerfahrene Kinder beobachteten ihn; doch die Selbstvorwürfe pflegen die unangenehmsten zu sein. Es war aber der letzte Bruchteil der Sekunde, in dem er den Raubvogel überhaupt noch erreichen konnte, und auch auf die Gefahr hin, daß der erlegte Adler ins Moor stürzen und damit verloren sein könnte, drückte Joe ab. Er verschoß zwei Patronen und spähte.
Der Adler stürzte aus der großen Höhe wie ein Stein herab und schlug im Moor auf. Die ausgebreiteten Schwingen verhüteten aber, daß der tote Vogel einsank. Wakiya und Hanska jauchzten.
Sie wollten,
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