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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ohne an die Gefahren des Sumpfes zu denken, zu der Beute rennen. Joe riß Wakiya zurück. Hanskas Füße sanken schon ein. Der Bub schrie auf. Joe warf sich flach hin, kroch ein Stück vor und reichte Hanska den Gewehrlauf. Der Junge hielt sich daran fest, legte sich auch flach, soweit er das noch vermochte, und der Kampf mit dem schlinggierigen Moor begann.
    »Wakiya! Hol Holz!«
    Wakiya rannte, keuchend, mit klopfendem Herzen. Er hatte Joes Beil dabei, fällte eine junge Tanne und schleifte sie samt Geäst heran. So war die Rettung eher möglich. Schmutzig, von Erregung und Anstrengung erschöpft, saß Hanska endlich wieder bei seinem Wahlvater. Er hatte eine Angst ausgestanden, die noch in ihm nachzitterte.
    Der tote Adler mit den prächtigen Schwanzfedern aber befand sich mitten auf dem Moor. Sein leichtes Gewicht mit der Stütze der Schwingen, die sich beim Aufschlagen ausgebreitet hatten, ließ ihn noch immer an der Oberfläche des Sumpfes bleiben und dort den Jäger als wohlverdiente Jagdbeute anlocken.
    »Der Sumpfgeist lauert auch auf dich, Vater Inya-he-yukan! Der Adler ist der Köder in seinen nassen Greifarmen. Geh nicht dorthin, Vater Inya-he-yukan!«
    Hanska flehte.
    Aber Joe schaute nach dem Adler. Er berechnete; ein unruhiges Gefühl und die Warnungen verwies er in jene Sphäre, aus der sie nicht in seine wachen Gedanken eindringen konnten.
    »Es gibt keinen Sumpfgeist. Aber einen Weg muß es geben!«
    Joe und Wakiya machten sich auf. Joe fällte zwei etwa vier Meter hohe Tannen und schleppte sie mit Wakiya zusammen zu der zweckmäßigsten Stelle heran. Er ging rings um das Moor und prüfte mit den Augen die Beschaffenheit. Aus diesem Moor hatte Inya-he-yukan der Alte einen Mustang herausgeholt, allerdings mit Hilfe seines Blutsbruders Stark wie ein Hirsch. Joe erinnerte sich, daß in der Erzählung darüber von einem kleinen, fest verwurzelten Busch die Rede gewesen war. Diese Latschenkieferngruppe gab es noch. Es war unverkennbar dieselbe, doch war sie noch viel älter und knorriger geworden. Joe schuf sich zunächst eine Brücke bis zu dieser Buschinsel. Er legte Schußwaffen und Munition ab und lief bis dorthin. Die Insel war standfest. Das konnte nicht nur an dem Latschengebüsch liegen. Vielmehr hatten sich die zähen Latschenkiefern da angesiedelt, wo das Erdreich irgendwie von unten her einen festeren Grund hatte. Vielleicht handelte es sich um eine überdeckte Felsinsel. Joe zog die beiden Tannen nach und legte die Brücke weiter vor. Er hatte die Decke und sein Lasso dabei und seilte sich an dem Busch an. So gesichert, lief er schnell über die Brücke, die an dem Buschwerk als Brückenkopf fest lag, in der Mitte und gegen das Ende zu leicht einsank. Die weit ausladenden Zweige des Baumes hielten aber auch das Ende noch auf der Oberfläche. Als zweite Schutzschicht breitete Joe die Decke darüber. Er war bis dahin gekommen, ohne ernsthaft in Gefahr zu geraten. Bis zu der Stelle, wo der Adler lag, betrug die Entfernung noch etwa drei Baumlängen. Joe zog einen der beiden Bäume vorsichtig und mit einiger Anstrengung nach und machte sich von dem Lasso frei, löste diesen durch Wellenschlagen auch von dem Busch und nahm ihn mit. Er legte den einen Baum um die nächste Strecke weiter. Es ließ sich nicht übel an. Er konnte darauf mit bloßen Füßen geschickt balancieren und lief schnell wiederum bis zum Ende seiner Brücke. Dort breitete er wieder die Decke aus. Es schien ihm, daß er von hier an sogar ohne Unterlage weiterkommen könnte.
    Es schien so.
    Ja, es schien so.
    Bis zu diesem Punkt war Joe wohlüberlegt vorgegangen. Jetzt begann er tollkühn zu werden, wie er es oft in seinem Leben gewesen war. Die Strecke bis zu der Beute war noch lang, und um sich weiterhin zu sichern, hätte er zurückgehen und noch mehr Holz holen müssen. Aber vielleicht war die schmale Grasnarbe vor ihm sogar sicherer als ein Baum.
    Man konnte es versuchen.
    Es gelang Joe, weitere vier Meter ohne jede Schwierigkeit vorwärts zu dringen. Die Narbe hielt. Joe bekam die Beute fast in Reichweite seines Lassos. Er warf die Schlinge, aber es fehlte eine halbe Armlänge. Vor Joes Füßen zog sich noch ein kurzes Stück verlockendes Gras. Dahinter allerdings und bis zu dem Adler hin dehnte sich nur noch schwankender, blasentreibender, gefährlicher Sumpf, der mit primitiven Mitteln überhaupt nicht begangen werden konnte. Erst der erlegte Raubvogel selbst schien auf einer festeren Stelle, wieder einer Art Insel, zu

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