Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
sie nutzten seine Intelligenz und alle seine Kräfte und Geschicklichkeiten aus. Als sie seinen Widerstand gegen ihr Unwesen zu spüren begannen, hatten sie ihn als Strohpuppe vor Gericht geschickt, um einen Mörder zu decken; nur um Haaresbreite war er der Verurteilung entgangen. In einer Nacht hatte er auf die Banditen geschossen. Er war heimgekehrt und hatte Tashina gefunden, die sieben Jahre auf ihn gewartet hatte. Er dachte an seine Frau, an die Zwillinge, an Wakiya und an Hanska, und endlich dachte er wieder an seine Mutter.
An der Kette um den Hals trug er die Muschel mit den scharfen Spitzen, das Symbol des Traumes vom Stein, der Hörner hat. Diese Muschel hatte die Mutter einst für ihn aufbewahrt, bis er wert geworden war, sie zu tragen. Alle die, die dann gefolgt waren, die ihn bedrängt und gequält, die ihm zur Seite gestanden und ihm geholfen hatten, sah Joe Inya-he-yukan King in dieser Stunde noch einmal wie Schatten im Leuchten des Blitzes, erfaßt von greller Helle, als ob sie durchsichtig geworden seien. Er hatte die Büffel wiedergebracht, er war ein Rancher und ein Helfer seines Volkes geworden. Aber die Sieger und Geister wollten ihm ein Kind entreißen und es am Baume der Grundsätze ihrem beamtenhaften Wohlansehen opfern. Ein grünäugiges Banditenweib hatte gewagt zu zeigen, daß sie ihn verachte. Plötzlich war er wieder offen, unfertig, unsicher, ratlos, gewesen. Zugleich hatte er sich mit fünfundzwanzig Jahren alt gefühlt, ausgehöhlt, und das Leere hatte sich abermals mit Haß und Zweifel zu füllen begonnen. Es war seinem Stolz, der noch immer dem eines indianischen Kriegers glich, unerträglich geworden, zu gehorchen und verleumdet zu werden, ohne zu den Waffen zu greifen, die er zu führen wußte. Aber auch diese Zeit war jetzt zu Ende. Sie war wesenlos geworden. Was blieb, war die Liebe zu Tashina, zu den Kindern, die Verehrung für Untschida, die Alte, die von einer schwarzen Nacht mehr wußte als ein andrer, und für den großen Toten, Häuptling Inya-he-yukan -die Liebe für ein armes kämpfendes Volk und zu den Buben Wakiya und Hanska, die zusehen mußten, wie Inya-he-yukan starb, und die zum zweitenmal den Vater verloren.
Joes Körper war bis über die Hüften erbarmungslos vom Moor umschlungen und gefesselt. Es war nicht mehr der seine. Die Arme durfte er nicht mehr bewegen. Auf seinen Kopf und für seine Augen schien die Sonne, und er konnte denken, aber nur um seine Marter zu empfinden. Endlich hörte er auf zu denken. Alles, was noch an Leben in ihm war, ging darauf hin, die letzte Kraft nicht unnütz herzugeben, sondern stillzuhalten.
Joe sank.
Noch vermochte er zu atmen, wenn das Moor auch schon auf das Zwerchfell drückte. Wie lange noch? Er konnte es nicht wissen. Die Sonne ging unter. Das Moor schlang seine Beute, Stückchen für Stückchen wie ein genußsüchtiges Ungeheuer. Joes Körper empfand, wie das Moor ihm die Luft abwürgte, und die Todesangst durchfloß ihn.
Von hinten berührte ihn etwas, vielleicht ein Sumpfvogel. Er konnte sich nicht umwenden und nicht umblicken. Es berührte ihn aber deutlicher, und dann zerrte es, doch blieb es für ihn noch immer unmöglich, wahrzunehmen, wie und was. Er wollte sprechen oder rufen, aber es gurgelte nur aus seiner Kehle. Er hatte furchtbare Schmerzen. Das Moor schob und drängte seinen hilflosen Körper und wollte ihm die Wirbelsäule brechen. Dann sah er etwas. Mit vier Geflechten aus Zweigen und mit der Decke arbeiteten sich Wakiya und Hanska, die leichten Gewichte, wie Schlangen über den Sumpf. Sie hatten sich von rechts und links an den Einsinkenden herangeschoben und erschienen nun neben ihm. Hanska gab Joe das eine der Geflechte mit der Decke darüber ab. Der Bub tat es, obgleich er selbst schon die Angst vor dem Versinken kennengelernt hatte. In Joe sprang noch einmal die Hoffnung des letzten Lebenswillens auf. Vorsichtig, kaum den Arm bewegend, zog er das Geflecht über den Adler heran, und es gelang ihm mit unendlicher Mühe, es unter sein Kinn zu ziehen. Dann hielt er an, denn jede Bewegung war schmerzhaft und gefährlich. Hanska war wieder aus seinem Gesichtskreis verschwunden. Aber Joe spürte von neuem etwas im Rücken, und er begriff, daß Wakiya und Hanska, flach auf den Geflechten liegend, mit den Händen die Sumpferde von Joes Rücken und unter seiner Brust wegholen wollten, um ihm mehr Freiheit zu geben.
Wasser quoll nach.
Aber Wakiya und Hanska hatten große Zweige dabei, die sie durch das
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