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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Jetzt spielte ein ungewohntes, zartes, ernsthaftes Lächeln darum; das war Inya-he-yukan. Wakiya fühlte, daß er wiedererkannt war, und auch er lächelte wie ein erster Sonnenstrahl nach grauem Wetter.
    »Bei wem wohnst du hier?« Inya-he-yukan sprach die Stammessprache.
    Wakiya schämte sich, ohne nachzudenken, warum.
    »Ich wohne bei Wambeli-wakan. Aber nur zwei Nächte.«
    Joe King spuckte aus. Er tat es in Richtung des Mannes auf der anderen Straßenseite; so waren zwei Gegner auf einmal mit der Geste der Verachtung getroffen.
    »Bei Wambeli-wakan wirst du ja gehört haben, daß ich ein Dieb und ein Mörder bin.«
    Aus den dunklen Augen war etwas wie Feuer gekommen, das Wakiya heiß brannte.
    »Ich töte auch einen Mann, Inya-he-yukan. Einen Geist.«
    Joe King fuhr zusammen, als ob er einen völlig unerwarteten Schlag erhalten habe. Es konnte sonst nicht seine Art sein, sich verblüffen zu lassen. Er wunderte sich wohl nicht nur über Wakiya, sondern ebenso über sich selbst und fragte aus seinem Verwundern heraus langsam, als ob er einen vollgültigen Menschen vor sich habe: »Wen tötest du? Und wie ist dein Name?«
    »Mein Name ist Wakiya-knaskiya. Ich töte Theodore Teacocks Bild, das tötet ihn selbst. Er hat dich beleidigt, Inya-he-yukan.«
    Der Mann kämpfte mit seiner eigenen zerrissenen Stimmung, jetzt zwischen Drohung und Lachen.
    »Theodore Teacock wirst du nicht töten, Wakiya-knaskiya. Ich will es nicht. Er gehört nicht in den Tod, er gehört an den Schandpfahl. Er gehört nicht dir, er gehört mir. Er muß leben, bis ich ihm vor aller Ohren bewiesen habe, daß er falsch geschworen hat und daß ich nie gestohlen habe. Solange lebt er.« Wakiya war erschrocken.
    »Du bist stärker als ich, Teacock ist dein. Du kannst meinen Zauber aufheben.«
    »Lauf heim, Wakiya-knaskiya. Es gibt bald einen bösen Sturm.«
    Wakiya machte kehrt. Er hörte dabei noch, daß ein altes knatterndes Auto von fern die Straße heraufkam, und spürte, wie die beiden feindlichen jungen Männer auf das Geräusch horchten. Inya-he-yukan zog ein einzelnes Streichholz aus der Tasche, brachte es mit einem Schnellen des Daumennagels zum Brennen und steckte sich eine Zigarette an. Er schaute nicht mehr die Straße hinunter, sondern drehte seinem Gegner den Rücken und schien die Auslagen im Schaufenster zu betrachten.
    Wakiya langte im Hause Adlergeheimnis an. Frau Margot war froh, daß das Kind richtig und ohne Verzögerung eingekauft hatte.
    Die Familie aß am blanken Küchentisch. Da ein Unwetter drohte, wurden David und Byron nicht zu Bett gebracht, sondern lagen angekleidet auf einer Couch im Wohnzimmer unter einer Wolldecke. Auch Frau Margot und Ed gingen nicht schlafen. Mäntel und Koffer wurden bereitgelegt. Der Radioapparat war angeschaltet und brachte von Zeit zu Zeit Nachrichten über den Weg, den der Wirbelsturm nahm. Nun hofften alle, daß sein Kern an der Reservation vorbeigehen würde und man nur die Ausläufer zu fürchten habe.
    In der Nacht brach das Unwetter mit unheimlicher Gewalt los. Der Sturm tobte wider die Holzhäuser, die ihm lästig im Wege lagen, Bäume knickten zusammen; ihr wehrloses Ächzen schreckte die Menschen. Das Haus Adlergeheimnis zitterte; auf dem Dach splitterte und krachte es; niemand wußte, was da geschah. Mit Geklirr brach ein Fenster in die Stube herein; der Sturm hatte es mit einer Kiste eingeschlagen; wer konnte sagen, woher er sie gebracht hatte. Die Sirenen der Feuerwehr wollten gegen das Brausen des Sturmes anheulen; aber sie klangen nur schwach und verweht, als ob die Töne fortgeschleppt würden von den Häusern der Menschen über die wilde Prärie. Durch das zersplitterte Fenster sah Wakiya draußen Feuerschein: ein Haus brannte.
    Frau Margot Adlergeheimnis betete zu Gott und Wakan-tanka, zu allen Heiligen und allen guten Geistern um ihren Mann und um die Kinder. Sie betete laut, aber ihre Stimme mischte sich mit dem zischenden Fauchen, mit dem die Luft durch das gewaltsam geöffnete Fenster hereinschoß, und die Worte waren nicht zu hören. Wasser brach vom Himmel. Der Feuerschein erlosch. Es platschte, der Regen kam durch Fenster und halb abgedecktes Dach. Auf dem Boden schwamm das Wasser. David zog die Decke bis über den Kopf, aber schon sickerte es durch.
    Da der Sturm etwas nachließ, schienen die Sirenen lauter zu heulen. Auf der Straße wurde geschrien und gerufen. Margot versuchte die Tür zu öffnen, aber dagegen stand die Macht des Sturmes noch zu stark. Sie schaute

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