Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
hatte auf der hohen Schule die Tücken und Schliche der Geister gelernt, so hatte die Mutter Wakiya gesagt, und die Mutter log nicht. Ed Adlergeheimnis war Inya-he-yukans Feind; Inya-he-yukan hatte ausgespuckt, als er den Namen hörte. Ed Adlergeheimnis glaubte, daß Inya-he-yukan ein Dieb und Mörder sei, aber das war eine Lüge. Vielleicht hatte Inya-he-yukan Feinde getötet, vielleicht hatte er im Kampf diese bösen Feinde besiegt und getötet, die erstochen und erschossen in der Prärie lagen. Aber Inya-he-yukan stahl und mordete nicht.
Wakiya hatte mit Vater Ed gesprochen, wie man mit einem Feinde verhandelt. Ed mochte ein tapferer und achtbarer Feind sein, doch mußte man immer aufmerksam bleiben und sich vor ihm hüten. Aber was war dieser Feind Ed Adlergeheimnis in Wahrheit? Als Mensch geboren und ein Geist geworden! Menschen konnten also Geister werden. Das hatte Wakiya bis dahin noch nicht gewußt. Vermochten aber auch Geister Menschen zu werden?
Wakiya fragte die Mutter, und die Geschwister hörten zu.
»Ich habe noch keinen Geist gesehen, der ein Mensch wurde. Aber euer Leben ist länger als meines. Schaut euch um, und wenn ihr einen gefunden habt, so sagt es mir.«
Wakiya-knaskiya wollte sich umsehen.
Das hatte Zeit.
Er dachte noch nicht an das Ende der Ferien. Er lebte in der Prärie, lag im engen Blockhaus auf einer harten Bettstatt, lief barfuß über Büschelgras und Kakteen und saß oft stundenlang in seinem Versteck, um nachzudenken. Morgens und abends aß er die schlechte Kost, die die Mutter für das Wohlfahrtsgeld kaufen konnte. Wakiya kannte jetzt schon die dicke blonde Frau, bei der die Mutter das Geld holte. Sie hatte mit Wakiya Spaß gemacht und ihm einen roten Radiergummi geschenkt, weil er ihm gefallen hatte. Von seiner Krankheit spürte Wakiya in dieser Zeit nichts. Er konnte mit dem jüngeren Bruder um die Wette laufen und ihn ins Gras werfen.
Dann kam der Tag, an dem sich das Überraschende und Überwältigende ereignete.
Es war in aller Frühe, und Wakiya hatte eine alte kurze Leinenhose an; sie war schmutzig und längst zu klein geworden, aber eben um die Lenden reichte sie noch. Die Sonne kam zur Prärie kaum vier Stunden nach der Mitte der Nacht. Der Himmel wurde glühend rot, golden und blau. Wakiya und seine Geschwister aßen Schwarzbrot und tranken Wasser, aber nicht zu viel, denn der Rest im Eimer sollte noch bis zum nächsten Tage reichen. Waschen konnten sie sich heute nicht. Sie huschten umher und spähten. Heimlich fragten sie sich, ob sie nicht einmal einen Fasan fangen konnten. Seit der Vater gestorben war, hatten sie keinen Fasan mehr gegessen. Das Jagdgewehr hing unbenutzt an der Wand, aber die Mutter pflegte es noch immer von Zeit zu Zeit zu reinigen.
Wakiya war mit seinen Geschwistern auf einen Hügel gelaufen; alle drei lagen auf dem Bauch und hielten Ausschau.
Sie entdeckten keinen Fasan, aber sie entdeckten einen Buben und ein Mädchen, die Hand in Hand näher kamen. Wakiya erkannte David Adlergeheimnis und Susanne Wirbelwind.
Beide steckten in Feiertagskleidern, in besseren Kleidern noch, als sie sie in der Schule zu tragen pflegten. David hatte sogar einen Cowboyhut auf. Das paßte zu ihm, da er ja den Namen eines jungen Cowboys erhalten hatte, der einen Riesen mit einem einzigen Stein getötet hatte. Susanne Wirbelwind trug ein schneeweißes Kleid, zart wie die weiße Rose, die jetzt auf der Prärie blühte. Susanne war zierlich gewachsen, hatte eine dunkelbraune Haut und langes Haar.
Wakiya-knaskiya wurde es warm ums Herz vor Bewunderung. Er floh sofort, weil Susanne seine alte Leinenhose nicht sehen sollte. Die Geschwister rannten hinter ihm her. In der Hütte stieß Wakiya nur zwei Worte hervor, um die Mutter von dem bevorstehenden Besuch zu unterrichten, und fuhr dann in die neue Hose, die - zu seinem Leidwesen mußte er es sich selbst gestehen - immer noch zu weit war. David und Susanne langten etwas später an, ernsthaft und sehr schüchtern.
Die Mutter begrüßte die beiden Kinder in der Hütte, ohne sich ihr Erstaunen anmerken zu lassen.
David trug vor, was die beiden ausrichten sollten. Er hatte auch einen Zettel dabei, auf dem Mutter Margot vorsorglich einiges aufgeschrieben hatte, aber Eliza Bighorn konnte das doch nicht lesen, und David war zu stolz, die Hilfe zu benutzen; er wußte alles auswendig.
»Mein Vater Ed Adlergeheimnis und meine Mutter Margot Adlergeheimnis und Vater und Mutter Wirbelwind...«
Pause.
». bitten dich, Mutter
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