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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sein Geheimnis?«
    »Wenn wir es wüßten, wäre es keines.«
    Am nächsten Tag saß Wakiya vom Morgen bis zur Nacht in seinem Versteck. Er dachte vorsichtig, nicht übereilt Schritt um Schritt vor sich hin.
    Inya-he-yukan war nicht ein Geist geworden. »Er ist von unserem Stamm«, die Mutter hatte es gesagt. Er trug nur den Namen Joe King wie ein Kleid, das ein Indianer anzieht und ablegt. Er trug den Namen wie seinen Cowboyhut. Wenn er ihn absetzte, war er ein Mensch, und wenn die Schere seinen Schädel kahl schnitt, wuchsen die schwarzen Haare immer nach. Die Geister konnten seine Augen nicht verstehen. Teacock haßte ihn. Wakiya-knaskiya liebte ihn. Auch Wakiya hatte einen solchen Namen, den man nehmen und weglegen konnte, Byron Bighorn.
    Inya-he-yukan war in der Hand der Geister gewesen und hatte ihnen getrotzt. Wakiya mußte bald wieder zu den Geistern in die Schule gehen. Aber sein Geheimnis wollte auch er nicht verraten.
    In der Nacht konnte Wakiya keine Ruhe finden, obgleich er sich glücklich fühlte. Er hatte sein Traumbild wiedergefunden. Er schämte sich, daß er an Inya-he-yukan gezweifelt hatte, und war doch glücklich. Inya-he-yukan war der Stärkere.
    Gegen Abend des folgenden Tages war es die Mutter, die unruhig zu werden begann. Sie blieb, ihren Gewohnheiten widersprechend, lange vor der Hütte stehen, mit dem Gesicht gegen den Wind, wie Wild, welches wittert. Sie rief Wakiya zu sich her. Wakiya rannte in seiner alten, eng gewordenen Leinenhose herbei.
    »Wakiya, was sagt der Wind?«
    »Er spricht fremde Worte zu mir, Mutter.«
    »Du kannst sie nicht verstehen. Ich verstehe sie auch noch nicht. Aber wir müssen wach bleiben.«
    Zwei Stunden später, im letzten Abenddämmer, lief Wakiya zur Mutter, die noch Feuerholz machte.
    »Mutter!«
    »Wakiya-knaskiya?« »Der Wind warnt uns!«
    Die Luft begann zu rauschen. Eliza Bighorn legte den Kopf zur Seite, horchte, legte das Beil weg. Sie rannte auf den nächsten Hügel. So schnell hatte Wakiya die Mutter noch nie rennen sehen. Oben stand sie und spähte in die dunkelnde Ferne. Dabei witterte sie wieder.
    Sie schrie. Es gellte durch die Stille. »Feuer!«
    Die Mutter sprang den Hügel herab. Die kleinen Geschwister hatten sich bei Wakiya angefunden.
    »Fort! Fort! Zur Sandkuhle!«
    Die Mutter nahm das kleine Mädchen auf den Arm, die beiden Buben blieben dicht beieinander. So flüchteten sie, ohne sich noch ein einziges Mal nach der Hütte umzusehen. Die Hunde flüchteten auch, aber in der umgekehrten Richtung. Hoch in der Luft zogen Raubvögel davon. Tiefer, schon erschöpft, flogen Drosseln und Lerchen. Sie alle flüchteten dem in die Hitze der fernen Feuersbrunst hineinrauschenden Sturm entgegen, vom Feuer fort. Aber Eliza Bighorn glaubte, daß die weißen Felsen und daß die Straße zu weit entfernt seien. Mit den Kindern hoffte sie sie nicht mehr vor dem Feuer zu erreichen. Deshalb lief sie in umgekehrter Richtung zu dem Feuer hin. Sie mußte mit den Kindern schneller als das Feuer bei der Sandkuhle sein.
    Mutter und Kinder liefen um ihr Leben.
    Der Feuersturm rauschte immer mächtiger, je näher das Feuer kam. Er trug Staub mit sich, zerrte in den Kronen der Kiefern und warf loses Holz umher. Es war nicht leicht, in den Staubwolken die Richtung zu halten. Der Staub setzte sich in den Nacken und wirbelnd auch in Nase, Augen und Ohren. Der Sturm verschlang die Stimmen. Die Buben wußten in Dunkelheit und Staub kaum mehr, wo die Mutter war. Sie faßten sich an der Hand, um einander nicht auch noch zu verlieren. Aber das hinderte beim Laufen.
    Nun hatten sie die Mutter wieder. Sie trug die kleine Schwester auf dem Rücken. Die Luft rings war schon heiß, feuerheiß. Funkenschwärme stoben über den Nachthimmel, der durch den Rauch noch tiefer geschwärzt war. Die Flüchtlinge sahen die Sandkuhle, einen abgebrochenen Hügelhang, wo kein Gras wuchs. Aber noch war die erhoffte Rettung weit entfernt für keuchende Lungen, müde Füße, brennende Augen.
    Die Funkenschwärme schufen neue Brandherde auch außerhalb des wachsenden Feuerkreises. Am Boden lagen schon Vögel mit versengten Schwingen; sie konnten nicht mehr fliegen, und es blieb ihnen nichts als der nahende Feuertod.
    Mutter und Kinder flüchteten.
    Jetzt war die Sandkuhle näher, aber auch das Feuer rückte mit mörderischer Gewalt vor.
    Ja, wenn Eliza Bighorn noch Pferde gehabt hätte wie einst der Großvater! Dann wäre die Flucht leichter gewesen. Aber als der Vater lange krank und arbeitslos

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