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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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aufstehen.
    Noch immer blieb er schweigsam. Wenn Margot Adlergeheimnis ins Krankenzimmer kam, wurde sein schmales Gesicht ernst, und er hielt sich ganz zurück.
    Die Zeit verging. Für andere Kinder hatte die Schule schon angefangen.
    Wakiya lernte mit einigen kranken Kindern zusammen. Eine Indianerin half ihnen dabei. Es machte ihm Freude zu lernen, denn er verstand alles leicht und wurde oft gelobt. Die Lehrerin sprach das Englische langsam und deutlich aus. Auch für sie war es nicht die Muttersprache. Wakiya durfte jetzt schon im Garten Spazierengehen und in der frischen Luft über die Prärie schauen.
    Allmählich sammelten sich die Fragen in ihm. An einem Sonntag fand Eivie Zeit, sie sich anzuhören.
    »Wo ist Mutter?«
    »Daheim. Ihr habt ein neues Haus bekommen.« Wakiya mußte erst leer kauen, ehe er schluckte. »Geht mein Bruder jetzt in die Beginnerklasse?« »Ja, das tut er.«
    »Warum kann Mutter mich nicht besuchen?«
    »Der Weg ist doch weit, Wakiya, und dein Bruder muß in die Schule gehen und deine Mutter.«
    »Ich habe Mutter gesehen, als ich im Garten saß. Ich kann von dort in die Siedlung hineinschauen. Mutter war im Laden. Sie hat eingekauft.«
    »Ja, das muß sie tun.«
    »Warum darf sie mich nicht besuchen?«
    Der Arzt kämpfte um die Antwort. Die Mutter kam nicht, um Wakiya zu besuchen. Sie war erbittert, daß man das Kind ins Krankenhaus gebracht hatte. Aber wie sollte der Arzt das seinem kleinen Patienten erklären, ohne daß dieser einen neuen Schock bekam? Alle Aufregung mußte vermieden werden.
    Wakiya legte seine Kinderhand auf die des Arztes.
    »Laß. Ich weiß schon. Ich gehe ja dann wieder heim. Gehe ich?«
    »Nicht so bald, Wakiya. Wenn du noch viel kräftiger bist. Dann kannst du der Mutter besser helfen.«
    Das Kind schien zufrieden. Der Arzt war erleichtert. Er war nicht verheiratet, hatte selbst keine Kinder, aber eine besondere Liebe für seine kleinen Patienten.
    Wakiya grübelte, wie er seine nächste Frage anbringen sollte.
    Eivie wartete.
    »Wo hat das Feuer aufgehört?«
    »Die Männer von New City sind gekommen in großen Wagen, mit Hacken und Schaufeln und Sprengstoff und mit Schläuchen, um Wasser zu spritzen, und da konnte das Feuer nicht mehr weiter und erlosch. Über die Straße ist es nicht mehr gekommen.«
    Wakiya hatte nur die Worte Wasser und Straße recht verstanden.
    »Ihr seid Geister. Ihr habt Wasser und Straßen. Ohne Wasser kann die Prärie nicht leben, und über eure breite, plattgetretene Schlange, die ihr Straße nennt, kann sie nicht hinüber. Die Straße zerschneidet uns. Ihr seid stärker.«
    Wakiya sprach mit großem Ernst und einem großen Verzicht. Der Arzt erkannte auf einmal, wie alt das Gesicht dieses Kindes war. Er lenkte ab.
    »Hast du eigentlich gemerkt, Wakiya, wie wir dich geholt haben -Stonehorn und ich?«
    »Stonehorn - Inya-he-yukan hat mich geholt.«
    Der Arzt wurde rot, als das Kind ihn so stolz berichtigte.
    »Du hast recht. Er hat dich gefunden. Wir hatten mit einem Flugzeug, einem Hubschrauber, über das ganze verbrannte Land nach Menschen, Vieh und Pferden gesucht. Viel ist umgekommen, einiges konnten wir noch retten. Aber euch in der Sandkuhle hat erst Stonehorn gefunden.«
    Wakiya hatte glühende Backen.
    »Warum glaubt ihr Geister, daß Inya-he-yukans Verstand verwirrt sei?«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Die Mutter hat es gehört.«
    »Das ist nichts als ein Geschwätz, leerer Wind. Er wird wieder gesund.«
    »Er wird wieder gesund.« Wakiya wiederholte diese Worte, sehr langsam und deutlich. Er wird wieder gesund! Das hieß aber, Inya-he-yukan ist krank gewesen, und du, Eivie, willst es mir nicht sagen. Du willst es mir nicht sagen, deshalb frage ich dich auch nicht.
    »Stonehorn ist ein prächtiger Mensch, Wakiya. Kennst du ihn?«
    Wakiya überlegte sich die Antwort. Was Eivie eben gesagt hatte, war nicht gelogen. Wenn es auch viel zuwenig und nur obenhin gesagt war. Es war alles, was man von einem der Geister erwarten konnte; für einen Geist war es viel. So fühlte Wakiya. Aber war das, was Eivie gesagt hatte, auch eine Falle? Der Richter Ed Crazy Eagle hatte wissen wollen, wann Wakiya mit Inya-he-yukan gesprochen hatte. Wakiya hatte die unbeantwortete Frage nicht vergessen. Er antwortete deshalb auch jetzt nicht direkt, sondern stellte eine Gegenfrage.
    Er wollte seine Geheimnisse nicht preisgeben.
    »Ist Inya-he-yukan, als er krank war, in deinem schneeweißen Geisterreich gewesen?«
    Eivie lächelte über das schneeweiße

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