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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nicht gekommen war, und erzählte dem Wind, der ihn streichelte und der über die weißen Felsen wehen konnte, daß er die Mutter grüßen solle.
    Nach dem nicht zu vergessenden Eindruck dieses Abschieds von einem großen Menschen blieb es zunächst Alltag im Hause King. Die Herbstluft wurde kühler, die Winde wehten stürmischer; wieder tanzten die vertrockneten, ausgerissenen Krautstengel mit dem Staub über die Prärie.
    Das Zelt stand noch, die dicke Büffelhaut schützte gegen Wind, Staub und Kälte, und oft saßen Inya-he-yukan, Tashina, Untschida und Wakiya des Abends im Zelte an der kreisrunden Feuerstelle beisammen, während die wohlgenährten Zwillinge im Arm der Frauen schliefen.
    In diesen Abendstunden horchte Wakiya auf Untschida, die noch mehr alte Mythen und Märchen wußte als die Mutter, und Tashina freute sich, das wieder zu hören, worauf sie als Kind selbst begierig gelauscht hatte. Auch Inya-he-yukan sprach dann zuweilen leise, kurz; und Wakiya durfte seine Fragen vorbringen.
    Sobald er damit begann, sprachen Joe und Queenie englisch mit ihm, obgleich Untschida das nicht verstand, und sie nannten sich untereinander mit ihren englischen Namen.
    »Können Geister Menschen werden?«
    Joe überlegte.
    »Eivie vielleicht. Aber es gibt noch ein Stück rauhen Weges für ihn vor dem Ziel.«
    »Wenn aber Menschen Geister geworden sind - können sie je wieder zurück?«
    »Ed Crazy Eagle - vielleicht.«
    Wakiya trug noch einen großen Gedanken mit sich herum. Warum war Inya-he-yukan an jenem Tage zur Mutter gegangen und hatte Wakiya dann zu sich geholt? Diese Frage wagte er nicht zu stellen, und doch konnte er sie sich selbst beantworten. Die Augen hatten ihn gefunden wie er sie.
    Ein Tag nach dem andern verging mit Arbeit. Wakiya holte in der Schule auf, langsam, aber stetig. Queenie beriet ihn geduldig, und Wakiya schaute gespannt zu, wenn sie Muster für die Töpferei entwarf oder Skizzen zu Bildern, mit denen sie in diesen Monaten jedoch selbst stets unzufrieden war. Hatte sie eine Skizze zerrissen, so war es besser, sie nicht anzusprechen; dann mußte sie selbst mit sich fertig werden. Joe hatte genug zu tun auf zwei Ranches, auf seiner eigenen und auf der Nachbarranch, wo Mary Booth bei Büffeln, schwarzen Rindern und Bucking Horses Joes Hilfe brauchte.
    Eines Tages aber drang etwas Fremdes auf der King-Ranch ein. Wakiya-knaskiya spürte sofort den giftigen Atem, wie ein Tier den Geruch des Feindes, und er machte sich darauf gefaßt, daß es einen neuen Kampf mit den Geistern geben werde. Diesen Kampf würde Wakiya nicht aus der Ferne in Gedanken miterleben, er würde an der Seite Inya-he-yukans stehen, körperlich, ein Mensch neben dem andern. Das war neu für ihn, und er mußte erst erproben, wie es ihm gelingen konnte. Seine Augen und Ohren sollten wach sein, er befahl es ihnen. Der giftige Atem, dessen Heranwehen Wakiya spürte, tarnte sich zuerst harmlos in der Gestalt eines Mannes, der Joe kaum bis zur Schulter reichte und mit einer knappen, fast ängstlichen Stimme sprach. Aber unter seiner ängstlichen Art und Weise floß der Klebstoff der Zähigkeit, und man durfte diesem nicht zu nahe kommen, ohne festzukleben und zugrunde zu gehen wie eine gefangene Fliege.
    Das waren Wakiyas Gedanken und sein Fühlen, als er Mr. Haverman, den Dezernenten für Ökonomie, neben Joe King stehen sah und die beiden miteinander sprechen hörte. Ein Streitgespräch zwischen Erwachsenen war für Wakiya-knaskiya eine bis dahin völlig unbekannte Welt gewesen; ein Geheimnis tat sich auf, furchterregend und anziehend.
    Es war der Tag vor Weihnachten.
    Mr. Haverman war unerwartet erschienen. Vorsichtig hatte er seinen Ford den Feldweg hinaufgesteuert. Joe hatte ihn am Wagen erwartet und nicht in das Blockhaus hereingebeten. Das Zelt war für die Winterszeit abgeschlagen, und selbst wenn es noch gestanden hätte, würde Joe seinen Besucher nicht in das altehrwürdige Tipi geführt haben, noch viel weniger als in das Blockhaus. Wakiya hatte schon Ferien. Er stand dabei, und Joes Miene hieß ihn eher bleiben als gehen. So blieb er.
    Der Wind wehte schneidend. Haverman blickte noch einmal sehnsüchtig nach dem schützenden Haus, aber Joe war zu keiner Einladung bereit. Haverman mußte sich mit dem ungastlichen Empfang abfinden.
    Er begann im Sachton des Dezernenten, wie ihn Wakiya schon von seinem Besuch bei Eve Bilkins her kannte.
    »Sehe schon, Mister King, daß Sie eine ausgezeichnete Ranch aufbauen. Sie vergessen die

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