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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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suchten jeden Tag Schritt um Schritt auf der Fährte des Gedächtnisses, und er wartete darauf, daß die verlorenen Augen ihm begegnen würden.
    Er wußte nun auch, daß ein Geist von ihm Besitz genommen hatte und ihn zerrte und schüttelte, sooft es ihm beliebte. Wakiya-knaskiya konnte nichts dawider tun. Die Mutter blieb immer geduldig mit dem Kind, das ihr die meisten Sorgen machte, aber sie wollte in seinen Zügen nicht mehr den Vater wiedererkennen, und die jüngeren Geschwister erschraken, und es graute ihnen, wenn der Geist der Krankheit über Wakiya kam. Darum spielte Wakiya nur noch selten mit Bruder und Schwester. Wenn aber die Kleinen des Morgens noch schlummerten oder des Abends schon eingeschlummert waren oder wenn sie zur Hitzezeit des Mittags in der schattig-dunklen Hütte auf den alten Decken ausruhten, dann schlich sich Wakiya-knaskiya zu dem Platz bei der alten Kiefer, wo die Kinder sich unter den verholzten Wurzeln eine kleine Höhlung gegraben hatten, eine Höhlung, in der Steinchen lagen, leuchtende Steinchen in vielen Farben - eine Höhlung, in der Tiere standen, Tiere aus Lehm geformt - eine Höhlung, in der sie einen winzig kleinen roten Wagen mit vier lose gewordenen Rädchen aufgestellt hatten. Den Wagen hatte die Mutter eines Tages mitgebracht, als sie Mehl und Brot einkaufen gegangen war; sie hatte ihn am Straßenrand gefunden.
    »Das ist ein Auto«, hatte sie erklärt.
    Wakiya-knaskiya saß vor dem Auto und konnte seine Rätsel nicht lösen.
    »Damit fahren die Geister auf der Straße, Wakiya, und die Unsern tun es auch schon.«
    »Was ist das, Mutter, eine Straße?«
    »Du hast sie doch gesehen, Wakiya, als wir zu dem Alten gingen.«
    Wakiya schaute die Mutter lange an. Er hatte noch nicht verstanden. Aber auf einmal wußte er etwas, denn auf den Spuren seiner Erinnerung fand er das Bild der platten, leblosen, tückischen Schlange. Er nahm das Spielzeugauto in die Hand und wunderte sich voll Mißtrauen.
    »Die, mit denen sie auf der Straße fahren, sind nicht so klein, Wakiya, sie sind groß.«
    Das begriff der Bub. Vorsichtig stellte er das Spielzeugauto wieder an seinen alten Platz in der Höhlung und wischte seine Hand an Gras und Erde ab. Von dem Gift der platten Schlange sollte nichts an seinen Händen kleben. Er fürchtete nicht, daß dieses Gift der Mutter schaden könnte oder den kleinen Geschwistern. Es fiel ihm gar nicht ein, daß es ihnen schaden könnte. Sie waren andere Menschen als Wakiya, und die Geister verfolgten sie nicht.
    Es ging auf den Sommer zu, und das war der letzte Sommer, in dem Wakiya-knaskiya noch nicht zur Schule gehen mußte. Er fürchtete sich vor der Schule. Dort waren Kinder, die sich vor ihm entsetzen würden, wenn sein Geist ihn zerrte und schüttelte. Dort wurde die fremde Geistersprache gesprochen, und Wakiya-knaskiya konnte die lauten Worte nicht verstehen. Die Geister töteten die Kinder nicht mehr, aber sie schlugen sie mit einem großen Stock, groß wie der Ast eines Kiefernbaumes, und verhöhnten sie. Die Mutter wußte es. Drei Sommer und drei Winter war sie als Kind in dem Hause der Geister gewesen. Zwölf Wörter der fremden Sprache hatte sie behalten. Sie brauchte auch diese Wörter nicht. Wenn sie einkaufen ging, legte sie Brot, Mehl und Fett in den Korb, und sie legte das Geld hin, das sie sich vorher bei der Wohlfahrtsfrau geholt hatte. Etwas Geld bekam sie wieder, und dann lief sie stundenweit zurück zur Hütte.
    »Wakiya, geh Wasser holen!«
    Der Junge schrak aus seinen bösen Träumen auf und griff nach dem Eimer, den die Mutter ihm hinhielt. Mit dem Eimer in der Hand eilte er im Trab über die trockenen Wiesen. Er fing bald an zu rennen, obgleich der Eimer recht groß für ihn war und ihn beim Laufen hinderte. Aber die Wasserstelle war weit entfernt, und Wakiya hatte Angst, daß ihn sein Geist verfolgte und ihn auf dem Weg einholen und niederwerfen und zerren würde. Darum rannte er, und der Eimer klapperte und quietschte.
    Er war müde, als er bei der Wasserstelle anlangte. Es war fauliges Wasser im sandigen Bachbett. Vorsichtig ließ es Wakiya in den Eimer einlaufen, so daß nicht zu viel Schmutz mit hereinkam. Es gab bessere Wasserstellen, und weit, weit weg, irgendwo, gab es Brunnen. Aber dorthin konnte Wakiya nicht laufen; dazu war er zu schwach. Er saß neben seinem gefüllten Eimer. Die Mücken tanzten und stachen. Das war er gewohnt; er kümmerte sich nicht darum. Aber er war wirklich sehr müde und ganz allein mit dem schwer

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