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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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fürchte. Ich habe Inya-he-yukan für mich gewonnen, als er verloren schien, und ich will ihn behalten.«
    »Die Hände, die halten, verlieren. Das sagte mein Vater. Er riet mir, die Hände nicht zu schließen. Ich war noch sehr klein damals. Aber er zeigte mir, daß ich keine Faust machen sollte, sondern die Hand offenhalten.«
    »Ich habe aber Angst, Wakiya, und wenn ich Inya-he-yukan nicht in meinen Frieden hereinziehen kann, so möchte ich am liebsten fliehen und nichts mehr hören und nichts mehr sehen. Wenn ich heute Hände malen würde, so wären es keine offenen Hände mehr, die geben. Es wären Hände, die Augen und Ohren bedecken und sich selbst schließen. Aber das will ich nicht malen, weil es eine Wirbel- und Staubgeburt ist. Ich möchte fliehen und habe auch davor Angst.«
    »Gehe nur weg, Mutter Tashina, du kommst wieder.«
    »Glaubst du das?«
    »Du kommst wieder.«
    »Du bist wie ein Kind und ein Greis in einem, Wakiya. Du bist ein Geheimnis. Bist du weise geworden durch deine Krankheit, die nicht eine Krankheit wie andere ist?«
    »Darauf kann ich keine Antwort geben, Mutter Tashina.«
    Die beiden gingen miteinander zum Haus zurück.
    Joe hatte die Zwillinge schon in den Schlaf gesungen; er hatte sich zu den Kindern gelegt und summte noch leise. Wakiya schlüpfte dazu, behutsam, damit er die Kleinen nicht weckte, und legte den Kopf an Inya-he-yukans Schulter.
    Tashina schlief neben Untschida auf der zweiten Bettstatt.
    Als die weiße Rose blühte und die Wasser stiegen, weil der Schnee in den Bergen schmolz, war noch immer keine Entscheidung gefallen. Es kam aber nach Mr. Haverman und Mr. Whirlwind ein dritter Besuch.
    Ein Buick parkte an der Straße im Tal; ein weißer Mann und eine weiße Frau kamen zu Fuß den Feldweg herauf. Es war früh am Morgen, und Wakiya sah die beiden, als er mit Untschida auf der Stute den Ritt zum Schulbus begann. Queenie war zu Hause. Joe war auf seinem Schecken zu den Büffeln und zu den Rindern geritten. Er hatte mit dem Lasso die Kälber einzufangen, denen das Besitzzeichen eingebrannt werden sollte. Eivie war drüben bei Mary Booth, um beim Kälberbrennen zu helfen; er war schon vor Sonnenaufgang gekommen, als Joe losritt. Wakiya hatte den Arzt kommen sehen und gleich erkannt. Sein Wagen stand bei dem Booth-Haus.
    Aber den Mann, der mit dem Buick gekommen war, kannte Wakiya nicht. Er mußte einer der mächtigen Geister sein; er war sehr gut angezogen. Wenn Wakiya ihn nicht kannte, so kannte er doch die Frau, die mit ihm kam, um so besser, obgleich er sie nur ein einziges Mal gesehen hatte. Das war Eve Bilkins, der Geist der >Grundsätze<. Sie hatte Wakiyas Bruder in das ferne Schulinternat geschickt. Also mußte ihr Begleiter wohl auch etwas mit Schulen zu tun haben, und die beiden Gestalten konnten nur neue Boten der giftigen Luft sein.
    Wakiya langte voll innerer Unruhe in der Klasse an. Es fiel ihm überhaupt seit Monaten wieder schwer, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Doch behauptete er sich mit mittleren Leistungen, nachdem er das Fehlende aufgeholt hatte, und besaß das unverminderte Wohlwollen von Mr. Ball, dem Klassenlehrer.
    Beim Mittagessen im großen Saal sah er seine kleine Schwester, die jetzt auch in die Schule ging, und er freute sich, wenn sie ihm zulachte. Er sah auch stets David Adlergeheimnis und Susanne Wirbelwind, die mit ihrer Klasse an einem anderen der langen Tische saßen. Er pflegte keinerlei Zeichen zu geben, daß er sie beachte, und die beiden verhielten sich ebenso. Aber heute kam Susanne nach dem Essen, als noch etwas Zeit zum Spielen und Unterhalten blieb, zu Wakiya herbei und begrüßte ihn freundlich. Wakiya fragte sich, was dies zu bedeuten habe. Er wartete ab, ohne sich etwas von Spannung anmerken zu lassen.
    »Hast du schon gehört, Byron? Deine Pflegemutter, Missis King, darf weiter studieren - „
    »Miss Bilkins ist heute bei uns.«
    »Mit einem Lehrer der Kunstschule, einem großen Maler!« »Er kann sich einen Buick leisten.«
    »Er ist ja auch nicht von der Reservation. Er ist berühmt. Deine Pflegemutter wird auch berühmt werden.«
    »Vielleicht sogar auf der Reservation.«
    »Was du denkst! Berühmt wird man nur draußen.«
    »Und wer wieder heimkommt? Muß er seinen Ruhm draußen lassen?«
    »Du fragst immer so komisch, Byron. Aber was ist nun mit deinem Pflegevater? Hat er die beiden umgebracht?«
    Wakiya war zumute, als ob ihn ein übler Lufthauch berühre, ein Pesthauch. Er fühlte das Zucken in den Gliedern,

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