Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen
das er kannte, und er meinte zu wissen, was nun kommen würde. Aber er hatte es nicht gewußt. Das Zucken wich plötzlich aus seinem Körper, und er konnte wieder atmen, ohne von der Pest angeblasen zu werden.
Susanne konnte von dem allem nichts ahnen, als Wakiya ihr antwortete.
»Du fragst immer so komisch, Susanne.«
»Seit der Geschichte mit dem Pferdediebstahl werden sie vermißt, Brandy Lex und Black and. White aus New City. Harold Booth soll noch etwas von den beiden gesagt haben, ehe deine Pflegemutter ihn erschoß.« Susanne war stolz, angefüllt mit Überlegenheit. »Byron! Wenn dein Pflegevater es getan hat, kommt er auf den elektrischen Stuhl oder er wird mit Gas erstickt oder er kommt wieder ins Gefängnis. Weißt du, daß er schon oft im Gefängnis gesessen hat?«
»Ist das eine Schande?«
»Es ist eine Schande.«
»Er war unschuldig.«
»Er war ein Gangster.«
»Er war ein unschuldiger Gangster.«
»Das gibt es nicht! Byron, weißt du überhaupt, was ein Gangster ist?«
»Ich weiß, was ein Stein mit Hörnern ist. Das aber weißt du nicht.«
»Nun, du kannst ja wieder zu deiner Mutter heimgehen. Sie arbeitet jeden Tag fleißig in der Angelhakenfabrik, und die ist hier ganz in der Nähe.«
David war nun auch herbeigekommen.
»Ja, es ist wahr, Joe King soll die beiden erschossen haben, damals bei dieser Sache mit dem Pferdediebstahl. Aber die Toten sind nie gefunden worden.«
Die Pause war zu Ende. Die Kinder gingen gruppenweise in ihre Klassen. Wakiya wünschte das Ende des Schultages herbei und fürchtete sich doch vor dem Heimkommen. Wer würde ihn heute am Schulbus abholen? Sicher nicht Inya-he-yukan, der bei den Herden war.
Als der Schulbus hielt, damit Wakiya aussteigen konnte, wartete Untschida auf ihn. Sie ritt wie immer die sanfteste der Stuten.
Wakiya wollte mit ihr sprechen, aber er saß hinter ihr auf dem Pferd und hätte alles laut sagen müssen, was leise zu sagen und zu fragen er sich kaum getraute. So schwieg er und klammerte sich nur fester an, als er es nötig hatte, um auf dem Pferd zu bleiben. Es fiel ihm nicht mehr so schwer, das Gleichgewicht zu halten wie damals, als er zuerst auf einem Pferderücken gesessen hatte.
Daheim hantierte Queenie. Sie fütterte die Zwillinge vom bunten Teller und stellte die neue elektrische Kochplatte an, um für Wakiya ein Stück Kalbfleisch zu braten. Das war seine Lieblingsspeise, es war zugleich eine Festtagsmahlzeit, und Wakiya erhielt ein ungewöhnlich großes Stück. Er genoß den Duft, der aus der Pfanne aufstieg, und verstand, daß er sich an irgendetwas besonders mitfreuen sollte. Obwohl aber seine Freude wohlig war, war sie doch nicht rein. Sie war wie von gefährlichem Dunst umzogen. Das Gespräch mit Susanne schlich ihm noch nach.
Queenie trug das türkisfarbene Kleid, in dem Wakiya sie zum erstenmal gesehen hatte. Zu Hause pflegte sie es sonst nicht anzuziehen; es war ein Feiertagskleid. Ihre schwarzen Augen hatten Glanz, den Glanz des Mondschimmers, ihre Haut war glatt und durchblutet. Die Vollkommenheit ihres Körpers lag in der Harmonie aller Maße, nicht im Außergewöhnlichen, und eben diese Harmonie erfüllte jetzt alle ihre bescheidenen Bewegungen. Wakiya konnte nicht genug ihren Händen zusehen.
Joe war noch nicht zu Hause.
Queenie schaute mit einem unsicheren, aber doch zutrauenden Lächeln auf Untschida.
»Ich möchte es dir und Wakiya schon sagen. Ich kann doch nichts anderes mehr denken. Ich darf weiter studieren, das zwölfte Jahr im Kunstunterricht machen, das ich damals versäumte - an der Kunstschule als Meisterschülerin von James Clark. Professor Clark hat sich bereitgefunden, ein oder zwei Jahre an unserer Indianerschule zu unterrichten. Ich kann über die Ferien schon in seinem Atelier arbeiten, um nachzuholen, was ich seit der elften Klasse versäumt habe. - Untschida! Ich werde wieder lernen und über das Lernen wieder mich selbst finden! Es ist alles geregelt! Die Verwaltung gibt mir das Stipendium auf ein Jahr! Die Reise wird mir vergütet.«
Queenie konnte nicht anders. Sie ließ alles stehen und liegen, umarmte Untschida und lachte und weinte.
»Ella hat das für mich getan - Ella, das Hopimädchen, mit der ich auf der Kunstschule gewesen bin - sie kennt Clark, und er hat meine Bilder auf der Ausstellung in Washington gesehen. Untschida! Bleibst du bei meinen Kindern! Das eine Jahr, das ich noch auf die Kunstschule gehen werde?«
»Ich bin alt, Tashina, mehr als neunzig Winter und Sommer,
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