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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sondern die Schritte der Wächter, das Zuschlagen der Tür, das Knacken der Schlösser und der Schlüssel. Er war dennoch nicht mehr verzagt, die ziellos treibende Angst fiel von ihm ab. Er hatte noch Furcht um Inya-he-yukan; das war ein reineres und ruhigeres Gefühl, das hinaufging bis zu der Ehrfurcht vor dem Mann, der nach Wakiyas Vorstellung um sein Leben kämpfte wie ein Büffel oder ein Bär, der verwundet in eine Wolfsmeute geraten ist.
    Der Gefangene wollte Wakiya sehen. Es gab keine Zeit zu verlieren. Der Junge lief zu Bob und dieser gab ihm ein Pferd, so daß Wakiya sofort in die Agentursiedlung zu Richter Crazy Eagle reiten konnte. Der Blinde ließ sich den Brief vorlesen und das Briefformular sowie den amtlichen Stempel genau beschreiben; er befühlte das Papier und erkannte endlich alles als echt und gesetzlich an. Die charakteristische Schrift des Linkshänders King kannte Frau Margot. Der Blinde ließ sich noch einmal vorlesen und hatte dann seinen Entschluß gefaßt. Er machte sich mit seinem Wagen, den Runzelmann steuerte, mit dem Gefängniswagen und den beiden Polizisten noch am gleichen Abend auf den Weg nach New City.
    Wakiya blieb zur Nacht wieder im Hause des Richters, und er dachte an die letzten Worte Crazy Eagles, den er in seiner Sprache Wambeli wakan nannte: >Wenn Joe einen solchen Brief schreiben darf, ist wahrscheinlich sein Leben unmittelbar in Gefahr, und der Gefängnisdirektor will nicht mit der Verweigerung eines Rechtsanspruchs die Verantwortung für den Tod eines Gefangenen auf sich nehmen, der eigentlich uns gehört und den er nur in Obhut hat.< Wakiya schlief wieder auf der Küchenbank und schaute durch das unverhängte Fenster hinaus auf die Prärie. Nebenan war es still. Frau Margot und David schlummerten ruhig. Wakiya aber wachte, nahm die Hand vor den Mund und betete zu Wakan-tanka, dem großen Geheimnis. Die Nacht lief dahin. Draußen verblaßten die Sterne wie an jedem Morgen, und die Amsel sang dem neuen Licht entgegen. Als Wakiya hörte, wie sich Frau Margot und David rührten, huschte er aus dem Hause hinaus, atmete die Herbstluft und wollte die Straße in Richtung New City hinunterschauen. Aber das Herz zog sich ihm zusammen vor Angst, daß von dort ein leerer Polizeiwagen zurückkehren würde und er seinen Wahlvater Inya-he-yukan nie mehr sehen und sprechen könnte.
    Der Bub scheute sich zu spähen und blickte in der umgekehrten Richtung, aber seinen Ohren konnte er nicht verbieten zu horchen, und seinem Herzen konnte er nicht verbieten, rasch zu schlagen. David kam und wollte ihn zum Frühstück holen; Wakiya schüttelte nur den Kopf, und David ließ von ihm ab und lief in das Haus zurück. Frau Margot startete ihren Ford und fuhr zum Krankenhaus, und David mußte zum Schulbus eilen.
    Wakiya blieb allein. Es ging schon gegen Mittag, und es wurde Nachmittag, als Wakiya noch immer stand und wartete.
    Auf der Straße aus Richtung New City kamen die Geräusche zweier Wagen; Wakiya brauchte sich nicht danach umzusehen, er wußte, welche Wagen kamen. Sie hielten vor dem Gefängnis. Der Bub drehte sich nun doch um. Er erkannte Crazy Eagle, der ausstieg. Von dem Führersitz des Polizeiwagens sprang der große Polizist herab und lief nach hinten. Wakiya trat einen Schritt zurück, um besser beobachten zu können, ohne aufzufallen.
    Er sah den großen, dann auch den kleinen Polizisten, und für einen Augenblick sah er etwas von seinem Wahlvater, der in das Gefängnis neben dem Gerichtshaus gebracht wurde. Die Hände waren ihm mit Handschellen auf den Rücken geschlossen.
    Wakiya kehrte in das Haus zurück. David, der schon von der Schule zurückgekommen war, hatte zwei Tassen Milch bereit gestellt, auch Wakiya trank die seine aus, obgleich ihm Milch nicht schmeckte. Seine Gedanken waren nicht im Hause Crazy Eagles anwesend. Es überkam ihn die Gewißheit, daß er Inya-he-yukan werde sprechen dürfen. Wakiyas Nerven schwangen, und es wollten sich ihm alle Sinne versagen, als er wirklich gerufen wurde. Richter Crazy Eagle selbst holte den Bub.
    »Nimm dich zusammen, sage das Wichtige und in allem die Wahrheit«, ermahnte er Wakiya, während die beiden zu dem kleinen Haus mit dem vergitterten Fenster gingen. »Du hast eine halbe Stunde Zeit, um mit Joe King zu sprechen. Euch die Sprecherlaubnis hier und für so kurze Zeit zu verschaffen, war alles, was ich erreichen konnte.«
    Wakiya atmete einmal tief, als er den Gefängnisraum betrat. In dem kahlen Raum stand Joe King, an die

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