Das Blut Des Daemons
tiefen Atemzug, mit dem Juliens Brust sich unvermittelt dehnte. Bitte nicht! Er durfte nicht zu sich kommen. Ich wollte mich aus St. James’ Griff befreien, mich zumindest aufrichten, um meine Hand von Juliens Körper nehmen zu können – Gérards Freund gab mich nicht frei. Im Gegenteil, zog er mich noch näher heran. »Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, wen ich mir …«
»Doamne Edward …« Nur aus dem Augenwinkel sah ich Ramon an Olek vorbeigehen. In dieser Sekunde fuhr Julien mit einem Knurrfauchen in die Höhe. Ich wurde zurückgestoßen. Stoff riss. Die Bahre wankte, krachte zu Boden. Stimmen brüllten durcheinander. Schreie. Julien war über St. James. Das Leichentuch hing noch halb zerrissen an ihm. Körner und einer der Vourdranj rangen mit Adrien. Olek wehrte sich gegen Ramon. Die beiden übrigen Vourdranj hatten ihre Verblüffung ebenfalls abgeschüttelt und versuchten Julien von St. James zu reißen. Ich kämpfte mich vom Boden hoch, wollte zu ihm. Plötzlich waren noch mehr schwarz gekleidete Gestalten da. Eine hielt mich fest, zog mich zurück, versperrte mir die Sicht. Das Schreien und Brüllen wurde lauter. Eine Stimme bellte etwas, das wie ein Befehl klang. Klatschen und Grunzen. Ich hörte Adrienschreien. Und dann war es plötzlich vorüber. Endlich trat auch mein Bewacher zur Seite und ließ mich los. Etwas in mir krampfte sich zusammen. Aus! Vorbei! Verloren!
Adrien und Olek knieten mit im Nacken verschränkten Händen am Boden, flankiert von Ramon und zwei weiteren schwarz gekleideten Lamia. Ob sie sich ergeben hatten oder dazu gezwungen worden waren, wusste ich nicht. Es brauchte zwei Vourdranj, um Julien zu bändigen, der sich in ihrem Griff immer wieder fauchend aufbäumte und um sich schlug. Ein weiterer stützte St. James, der aschfahl die Hand gegen seine blutende Kehle gepresst hielt.
Körner zischte etwas und wies auf Adrien, Olek und Julien – und mich. Der Vourdranj neben mir sah mich zwar überrascht an, doch dann ergriff er mich am Arm und schob mich einfach vorwärts. Den Korridor hinunter. Wieder tiefer ins Kloster hinein. Es war vorbei! Hinter mir konnte ich Julien knurren und heulen hören. Jemand fluchte, aber ich war nicht sicher, ob Adrien oder einer der anderen. Schon nach drei Biegungen wusste ich, wohin wir gebracht wurden.
Im Ratssaal stießen sie Julien, Adrien und Olek zwischen den Tischen zu Boden. Mit mir waren sie ein wenig sanfter: Ich bekam nur einen Schubs, sodass ich einen Schritt weitertaumelte. Ein Knurren gefolgt von einem Wutschrei und einem Klatschen ließen mich herumfahren. Die beiden Vourdranj direkt bei Julien hatten ihre Dolche in den Händen. Adrien war zwischen ihnen und seinem Zwilling, versuchte ihn zur Ruhe zu bringen, verdrehte ihm schließlich den Arm auf den Rücken. Julien brüllte, kämpfte, wäre um ein Haar freigekommen. Der Vourdranj links von ihm hob seine Waffe.
»Nein!« So schnell ich konnte, drängelte ich mich zwischen ihnen hindurch, kniete mich vor Julien. Er keuchte, knurrte, bleckte die Fänge. »Es ist gut! Es ist alles inOrdnung! Ich bin da! Niemand wird mir etwas tun.« Und dir auch nicht. »Beruhige dich!« Sacht legte ich eine Hand gegen seine Wange, die andere gegen seine Brust. Ich hatte nicht zu hoffen gewagt, dass er verstand, was ich sagte, aber zu meinem Erstaunen gab er seine wütende Gegenwehr auf – vielleicht war es aber auch nur der Umstand, dass ich nah genug war, dass er mit seiner freien Hand mein Handgelenk zu packen bekam. Ich ließ es zu. Über seine Schulter hinweg begegnete ich Adriens Blick, der seinem Bruder noch immer den Arm auf dem Rücken verdreht hielt – und nach wie vor nicht wagte ihn loszulassen. Ich konnte ihn verstehen. Besser er übernahm es, Julien zu bändigen, als es den Vourdranj zu überlassen, die zu sehr viel drastischeren Maßnahmen greifen mochten, falls Julien sie dazu zwang.
»Was werden sie tun?« Am Ratstisch kümmerte Körner sich um St. James’ Wunde.
Adrien verzog den Mund. »Sie werden entscheiden, ob sie Julien noch einmal hinrichten. – Und uns gleich mit.«
Ich biss für eine Sekunde die Zähne zusammen. Hatte ich etwas anderes angenommen?
Schneller als erwartet kündigten laute Stimmen die übrigen Fürsten an. Obwohl sie den Grund dafür kennen mussten, weshalb sie nochmals in den Ratssaal gerufen worden waren, starrten sie Julien an. Ich drückte den Rücken durch und hob das Kinn, als Vlad, Radu und Mircea den Saal betraten, obwohl mir viel mehr
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