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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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an sich und ich spürte, wie er nach einem Augenblick ebenfalls nickte.
    Ich schloss die Augen. Dies war also unsere letzte gemeinsame Nacht. Und ob wir es wollten oder nicht: Danach würde alles anders sein.
    In meinem Inneren saß ein harter, qualvoller, brennender Knoten, der selbst den Schmerz in meinem Magen unbedeutend werden ließ. Julien hatte die Wange gegen mein Haar gelehnt. Hilflos schluckte ich gegen das würgende Gefühl in meiner Kehle an – es blieb. Der Regen klatschte gegen die Scheiben. Keiner von uns sprach.
    »Spielst du für mich?«, fragte ich leise, als ich das Schweigen nicht mehr ertrug.
    Einen Moment lang rührte Julien sich nicht. »Natürlich. Wenn du das möchtest«, murmelte er schließlich doch. Seine Stimme klang rau. Behutsam schob er die Arme unter mich und stand mit mir auf.
    Doch als er sich anschickte, mich zum Bett hinüberzutragen, schüttelte ich den Kopf. »Bitte nicht.« Ich würde es nicht ertragen. Nicht jetzt. Irgendwie würde es das Ganze noch schlimmer machen, als es ohnehin schon war.
    Julien sah auf mich herab, nickte und wechselte die Richtung. Zu meinem Schaukelstuhl.
    »Hier?«
    Erst auf mein leises »Ja« setzte er mich darauf ab. Sein Blick glitt über mich, als würde ihm jetzt erst bewusst, dass ich nur meine Unterwäsche am Leib trug. Das Quecksilber seiner Augen war noch immer gefährlich dunkel. Wortlos nahm er die Decke von der Rückenlehne, die dort stets hing, und hüllte mich darin ein. Dann ging er ebenso wortlos die Geige aus seinem Zimmer holen. Ich zog die Beine unter mich, versuchte es mir trotz des dumpfen Ziehens in meinem Inneren halbwegs bequem zu machen und starrte dabei unverwandt die Tür an, als könnte ich ihn so schneller zurückbringen. Die Minute, die er fort war, kam mir dennoch vor wie eine kleine Ewigkeit.
    Ich sah ihm dabei zu, wie er den Instrumentenkasten auf meinem Schreibtisch abstellte, die Geige zusammen mit dem Bogen herausnahm, den Bezug des Bogens spannte, sie unters Kinn setzte und stimmte. Er brauchte dazu keine Stimmgabel oder irgendein anderes Hilfsmittel. Ebenso wenig wie er Noten brauchte, um einen Song spielen zu können.
    Ich schüttelte den Kopf, als er mich nach irgendwelchen besonderen Wünschen fragte.
    Ohne den Blick aus meinem zu lösen, setzte er den Bogen auf die Saiten. Die Töne kamen zuerst leise, gerade ebennoch hörbar – bis sie sich mit jedem Strich, jedem Takt steigerten.
    Er stand da, wiegte sich in der Musik, erweckte sie zum Leben, verwandelte jedes der Stücke zu etwas Eigenem, ließ gerade noch so viel, dass ich das ein oder andere erkennen konnte. Der Schein meiner Schreibtischlampe glänzte auf dem Lack der Geige, ließ Spiegel aus Licht darauf tanzen. Er jagte mir Schauer über die Haut, trieb mir Tränen in die Augen und zwang mich und die Geige im nächsten Moment zum Lachen. Er ließ mich ebenso das Atmen vergessen wie den Rest der Welt. Lockte mich und nahm mich gefangen. Verbannte die Zeit aus meinem Zimmer und hielt die Ewigkeit für mich an. Es war wie jedes Mal – und doch war etwas anders; etwas, das ich nicht in Worte fassen konnte.
    Julien spielte mit all der Leidenschaft, die ich von ihm kannte, jeder Bogenstrich voll von jener dunklen Magie, mit der er mich stets in seinen Bann zog – doch zugleich war es, als würde er einen letzen Schritt nicht tun, als wäre da eine letzte Tür, die er mit aller Gewalt geschlossen hielt. Ich hatte den Teufelsgeiger vor mir – und doch schien er diesmal seine Seele nicht gänzlich an den Teufel verkauft zu haben.
    Seine Augen ließen meine keine Sekunde los, hielten sich an mir fest. Selbst als er von mir zurückwich. Sie blieben. Und mit einem Mal wünschte ich uns zurück ins Bohemien , zurück an jenen Abend, an dem Julien dort für mich gespielt hatte; als er das alte Varieté-Theater für mich im Kerzenlicht mit seiner Musik gefüllt hatte. Wo er um mich herumgeschritten war, ohne seinen Blick – wie jetzt – auch nur einen einzigen Moment aus meinem zu nehmen. Wo ich mich seinem Zauber ebenso wenig hatte entziehen können, wie ich es jetzt konnte – und wo ich es ebenso wenig gewollt hätte. Und dann wusste ich plötzlich, was anders war: Damals hatte er sich in seiner Musik verloren. Dieses Mal nicht.
    Als hätte er gespürt, dass ich – selbst für diesen winzigen Augenblick – abgelenkt gewesen war, neigte Julien den Kopf und hob fragend eine Braue – ohne sein Spiel zu unterbrechen.
    » Who Wants To Live Forever? «,

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