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Das Blut Des Daemons

Titel: Das Blut Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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wagte es nicht, abermals die Hand nach ihm auszustrecken. Beide Arme um sich geschlungen wiegte er sich vor und zurück, die Stirn beinah wieder am Boden.
    »Non! Non … c’est pas … pas possible …«, flüsterte er irgendwann. »Non!« immer wieder: »Non!« Hilflos. Entsetzt. Ungläubig.
    Mein Herz zog sich zusammen. Was hab ich getan!
    Jetzt streckte ich doch wieder die Hand nach ihm aus, berührte ihn sogar.
    Sein Kopf flog hoch. »Laisse-moi!« Er fletschte die Fänge, schlug meinen Arm weg, kroch von mir fort, so weit er konnte, drückte sich in die Ecke, schüttelte abermals den Kopf. »Laisse … laisse-moi!«, diesmal waren die Worte nur ein schwaches Ächzen.
    Meine Kehle war wie zugeschnürt. Bitte, Julien, hass michnicht. Ich brachte die Worte nicht heraus. Stattdessen zog ich mich an die gegenüberliegende Wand zurück, kauerte mich zusammen, schlang den Bademantel um mich und die Arme um die Knie – und versuchte nicht daran zu denken, dass Julien mir gegenübersaß. Und mich nicht in seine Nähe lassen wollte. Daran, dass ich ihn zu einem Vampir gemacht hatte. Dass man es nicht wieder rückgängig machen konnte. – Aber irgendwie schien es in meinem Verstand nichts anderes mehr zu geben, und obwohl ich es zu vermeiden suchte: Zuweilen blickte ich zu Julien hin. Manchmal sah auch er zu mir her, doch wenn er meine Augen auf sich spürte – oder ihnen am Ende sogar mit seinen begegnete –, wandte er hastig das Gesicht ab. Jedes Mal kämpfte ich dann mit dem würgenden Kloß in meiner Kehle.
    Die Zeit verging wie zum Hohn quälend langsam, als wäre es ein Naturgesetz, dass Minuten sich zu Ewigkeiten ausdehnten, wenn man sich wünschte, sie würden vergehen, und Stunden zu Sekunden schrumpften, wünschte man sich, sie anhalten zu können.
    Es war still wie in einem Grab.
    Gelegentlich sog ich scharf die Luft ein, wenn die Bestie in meinem Inneren einmal mehr ihre Klauen in mich grub oder sich meine Eingeweide in einem Krampf zusammenzogen. Hunger brannte in meinen Adern und nagte in meinem Oberkiefer, wobei der Geruch von Juliens Blut und das – entsetzlich berechnende – Wissen, dass er mir, nachdem die Sonne außerhalb unserer Zuflucht noch immer am Himmel stand, nicht würde entkommen können, wenn ich ihn wirklich wollte , es nicht angenehmer machten.
    Doch es war nichts im Vergleich zu den Anfällen, die Julien immer wieder schüttelten. Und sosehr er auch die Zähne zusammenbiss: Von Zeit zu Zeit mischte sich ein Stöhnen in sein hartes Keuchen. Jedes Mal wurde der Wunsch in mirgrößer, davonzulaufen oder zumindest die Augen zu schließen und mir die Hände auf die Ohren zu pressen. – Ich konnte weder das eine noch das andere.
    Also saß ich einfach nur da. Wartete. Hoffte, dass es bald Abend wurde. Dass Juliens Qualen endlich nachließen. Dass ich meinen Hunger weiter beherrschen konnte. Und wusste auf unerklärliche Weise, ohne auf die Uhr zu sehen, wie spät es war.
    Zu Anfang war es nur eine leichte Mattheit gewesen, doch je mehr es auf Mittag zuging, umso deutlicher spürte ich den Stand der Sonne. Ich war … müde. Irgendwie … lethargisch. Schon am späten Vormittag, als die Helligkeit, die die Treppe herunterdrang, mich gezwungen hatte, die Tür zu unserem Keller endgültig zu schließen, hatte ich mich dazu aufraffen müssen, mich vom Boden hochzustemmen. – Julien mochte in beinah absoluter Dunkelheit perfekt sehen können, meine neuen Sinne waren noch nicht ganz so zuverlässig; sie kamen und gingen, sodass die Lichtverhältnisse manchmal von einer Sekunde zur anderen für mich wieder die eines Menschen waren. Deshalb hatte ich den schwachen Lichtschein, der von oben durch die spaltbreit offene Tür hereinfiel, so lange ertragen, wie ich konnte und es auch Julien nichts auszumachen schien. Jetzt aber, da die Sonne den Zenit erreicht hatte … Jede Bewegung schien mir viel zu mühsam, um sie überhaupt ausführen zu wollen. Wie verlockend war da im Gegenteil der Gedanke, mich einfach in irgendeiner Ecke zusammenzurollen und bis zum Abend zu schlafen oder zumindest vor mich hin zu dösen. Selbst der Hunger verlor daneben an Bedeutung. Julien schien es ähnlich zu gehen – wenn nicht sogar schlimmer. Doch wenigstens ließen seine Anfälle nach – oder schienen zumindest immer seltener zu werden.
    Als die Sonne draußen endlich zu sinken begann, entließ die Lethargie nicht nur mich aus ihren Klauen, sondern auchJulien – und auch mein Hunger rief sich mir immer quälender

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