Das Blut Des Daemons
in mir schrie eine Stimme immer wieder hilflos und verzweifelt »Nein!«
Ich zog seinen Arm näher heran, beugte mich vor, grub meine Zähne in die Wunde. Julien zuckte, als hätte ich ihm einen Stromschlag verpasst. Ansonsten rührte er sich nicht. Süß und dunkel füllte sein Blut meinen Mund. Ich schluckte, hörte mich selbst gegen sein Handgelenk stöhnen. Tränen traten mir in die Augen – und trotzdem konnte ich nicht aufhören zu trinken.
Ich merkte es im ersten Moment gar nicht, als Julien sich irgendwann gegen meinen Griff zu wehren begann. Doch dann schaffte er es, mir seinen Arm zu entreißen, stieß die Autotür mit Wucht auf und taumelte aus dem Wagen. Eine Sekunde sah ich ihn noch im Licht der Scheinwerfer, in der nächsten war er aus ihrem Kegel verschwunden.
»Julien!« Erschrocken riss ich meinerseits die Tür auf und hastete hinter ihm her. Ich fand ihn nur ein paar Meterweiter auf den Knien, die Schulter an einem Baum, die Arme auf den Leib gepresst, ebenso unkontrolliert zitternd wie ich gerade eben noch.
»Julien …«
Ich wollte zu ihm, mich neben ihn knien, ihm etwas von meinem Blut geben … Es war wie schon im Kellerraum des Anwesens: Er jagte mich mit einer harten Geste fort. »Geh weg! Mach dich sauber! Sieh zu, dass kein Blut auf den Sitz kommt! Wenn die Cops den Wagen untersuchen, dürfen sie nichts finden. – Ich Vollidiot …« Was auch immer er noch hatte sagen wollen, ging in einem Keuchen unter, das in einem Stöhnen endete.
Die Hände zu Fäusten geballt machte ich erneut einen Schritt auf ihn zu. Was Julien diesmal sagte – nein, eher zischte –, konnte ich nicht verstehen, da es Französisch war. Doch ich blieb stehen, als er sich auf die Beine kämpfte und ein Stück weiter den Weg entlangtaumelte – fort von mir –, ehe er abermals auf die Knie fiel und sich zusammenkrümmte.
Ich versuchte nicht noch einmal, mich ihm zu nähern. Doch erst nach etwas, das sich wie eine kleine Ewigkeit anfühlte, ging ich zum Mustang zurück und tat, was Julien verlangt hatte. Zum Glück hatte Neal Taschentücher in seinem Handschuhfach. – Wie durch ein Wunder war kein Blut auf dem Sitz. Und das, obwohl meine Hände damit vollkommen verschmiert waren. Meine Eckzähne hatten sich in meinen Oberkiefer zurückgezogen.
Es dauerte eine gute Viertelstunde, bis Julien endlich wieder zum Auto zurückkam. Jede Minute davon war mir wie eine Stunde erschienen. Er sagte nichts, durchquerte die Lichtkegel der Scheinwerfer, trat an die Fahrerseite, bedeutete mir einzusteigen und glitt selbst auf seinen Sitz.
Wie zuvor drückte ich mich in meine Ecke. Diesmalallerdings aus Scham und nicht, weil ich fürchtete, der Geruch seines Blutes würde den Hunger und die Gier in mir zu sehr schüren: Julien war totenblass und zitterte wie im Fieber. – Und ich war schuld daran.
Noch immer schweigend setzte er zurück, bis wir die Straße erreicht hatten, bog rücklings auf die Fahrbahn ein und gab Gas. Doch er hielt sich erstaunlicherweise an das Tempolimit; selbst als wir wenig später auf die weitestgehend verlassene Interstate nach Bangor auffuhren. Und immer wieder ging sein Blick in den Rückspiegel, während seine Hände die ganze Zeit das Lenkrad umklammerten.
Juliens Zittern blieb – zusammen mit den Krämpfen, die seinen Körper wieder und wieder unvermittelt spannten und mich jedes Mal hilflos die Zähne zusammenbeißen ließen, weil ich nichts tun konnte, um ihm zu helfen. Oder es ungeschehen zu machen.
Meile um Meile dauerte die Stille zwischen uns an; die ganze Strecke von Ashland Falls bis zum Flughafen. Nur einmal, kurz hinter der Auffahrt der Interstate, hatte ich versucht noch einmal mit ihm zu sprechen. Er hatte mich mit einem schroffen »Nicht jetzt. Wir reden im Flugzeug.« zum Schweigen gebracht. Es war, als würde er seine ganze Konzentration für den Wagen und die Fahrbahn brauchen. – Julien! Für den Tempolimit ein Fremdwort und Geschwindigkeit eine Leidenschaft war … und der meinen Atem regelmäßig zum Stocken brachte, wenn er bei mörderisch überhöhter Geschwindigkeit meine Hand ergriff, um meine Handfläche zu küssen.
Selbst als wir kurz vor dem Terminal von der Zufahrtsstraße in eine Art kleines Industriegebiet abbogen, das sich offenbar an das Flughafengelände anschloss, sagte er noch immer nichts.
Deutlich langsamer als erlaubt fuhren wir an den flachenBürogebäuden und Lagerhallen vorbei, hinter denen sich – soweit ich erkennen konnte – ein Hangar und
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