Das Blut des Mondes (German Edition)
Arschloch!
Sie versuchte Luft zu bekommen, indem sie ihren Kopf ein kleines bisschen zur Seite drehte, aber es war aussichtslos. Stephen hielt sie fest umklammert – mit seinen Armen, mit seinem Mund. Es war ekelhaft. Und es machte ihr Angst.
Warum hilft mir denn niemand? rief sie stumm. Und in der gleichen Sekunde gab Stephen ihre Lippen frei. Sie riss den Mund auf, holte endlich Atem und kniff die Augen zu. Dann wurde Stephen mit einem gewaltigen Ruck von ihr weggerissen, so dass sie ins Schwanken kam.
„Nimm deine dreckigen Finger von ihr!“, brüllte eine vertraute Stimme und dann hörte sie nur noch ein grausames Knacken. Während sie die Augen wieder öffnete, erkannte sie, dass Stephen sie nicht freiwillig losgelassen hatte: Ric stand vor ihm, mit wutverzerrtem Gesicht und seine Faust, die gerade ungebremst an Stephens Kiefer geknallt sein musste, senkte sich langsam. Stephen knickte ein.
„Ey, du Arsch!“, stammelte er wie benommen. Ric hatte offensichtlich gut getroffen.
„Verschwinde. Sonst …“ Rics Ton war eiskalt. Cat zitterte. So außer sich hatte sie ihren Freund noch nie erlebt.
„Sonst was?“ Stephen hielt sich das Kinn und feindselig starrte er Ric entgegen. „Was willst du machen? Mir noch eine scheuern? Bitte. Aber vielleicht fragst du vorher erstmal die Prinzessin, ob sie damit einverstanden ist, dass du dich hier einmischt. Schließlich war sie es doch, die mich …“ Weiter kam er nicht. Ric machte seine Drohung war. Während Cat noch nach Luft schnappte, weil sie nicht glauben konnte, was Stephen da von sich gab, schoss Rics Faust schon vor und versetzte Stephen den zweiten Kinnhaken. Stephen taumelte, versuchte aber wenigstens, sich zu wehren, indem er einen linken Haken in Rics Richtung schlug, doch Ric sah das voraus und wich ihm aus. Drohend kam er näher und baute sich vor Stephen auf. Er war etwas kleiner als sein Widersacher, doch ihm durch seine langjährige Boxerfahrung um einiges voraus.
„Und jetzt sieh zu, dass du verschwindest. Sonst kann ich für nichts garantieren.“ Rics Hand war noch immer zur Faust geballt, bereit noch einmal zuzuschlagen, sollte es nötig sein. Doch Stephen begriff anscheinend, dass er keine Chance mehr hatte. Er schüttelte den Kopf.
„Nicht nötig. Deine kleine Schlampe kannst du behalten. Heute zumindest.“ Er grinste schief, was durch das lädierte Kinn recht merkwürdig aussah.
„Lass die Finger von Cat und wage es niemals wieder, ihr zu nahe zu kommen. Und das ist keine leere Drohung!“ Ric war unmerklich näher an Stephen getreten, sodass er unmittelbar vor ihm stand. Seine Stimme war ein kaltes Flüstern, doch Cat verstand ihn trotzdem. Stephen auch. Er trat den Rückzug an.
Mittlerweile hatte sich eine kleine Traube von schaulustigen Schülern um sie herum gebildet. Warum kommen die erst jetzt , dachte Cat. Hätten die nicht schon vorher eingreifen können? Sie war echt verwirrt. Und froh. Ric hatte sie wieder einmal gerettet.
„Du wirst schon sehen, was du davon hast, Cat“, rief er im Weggehen. „Du wirst schon sehen …“ Dann war er endlich außer Hörweite.
Ric kam mit zwei Schritten auf Cat zu. „Hey, alles gut?“ Er legte seine Arme beschützend um sie und hielt sie fest. Cat legte ihren Kopf an seine Schulter und merkte, wie die Tränen, die sie zurückgehalten hatte, sich ihren Weg bahnen wollten. Aber sie schluckte sie herunter und murmelte: „Jetzt ja.“ Dann schlang sie ihre Arme um seine Hüften und drückte sich eng an ihn. Sie hatte das Bedürfnis, in ihn hineinzukrabbeln, um ganz und gar aus dieser Situation fliehen zu können. Ric war da. Er beschützte sie. Es ging ihr wieder besser, sie wurde langsam ruhiger. Aber das Bild, das sie vor Augen hatte, Stephens Worte, die sich in ihrem Ohr eingenistet hatten und der spitze Gegenstand, der sich in ihre Taille gebohrt hatte, als er sie an sich drückte, konnte auch Ric nicht wegwischen.
Cat hatte Angst. Und das zu Recht …
***
Ann lag in ihrem Bett und grübelte weiter. Nachdem Levian seinen wichtigen Termin am Nachmittag für ihre Recherchearbeit abgesagt hatte und sie danach die restliche Zeit ineinander verschlungen auf dem Sofa verbrachten, musste er sich gegen Abend sputen. Die liegen gebliebene Arbeit wurde zwar auf den nächsten Tag verschoben, aber die Werkstatt musste noch auf Vordermann gebracht werden. Daher verabschiedete Ann sich schweren Herzens und fuhr nach Hause.
Cat war nicht da. Bestimmt war sie mit Ric unterwegs,
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