Das Blut des Skorpions
schütteln.
Der Page, der sich nun überflüssig fühlte, zumal die Gelegenheit, sich wichtig zu machen, dahin war, entfernte sich mit steifen, gemessenen Schritten, als wäre ihm plötzlich ein übler Geruch in die Nase gestiegen.
»Dem Himmel sei Dank, dass ich Euch getroffen habe!«, rief der Maler und schüttelte die Hand des Gehilfen etwas zu kräftig. »Bitte bringt mich sogleich zu Ard… zum Großmeister, meine ich. Ich muss dringend mit ihm sprechen.« »Es tut mir sehr leid, Signore, aber er ist nicht im Palast. Wenn es wirklich dringend ist, kann ich euch zu ihm führen, obwohl ich Euch darauf hinweisen muss, dass es ein wenig Zeit in Anspruch nehmen wird.«
»Bitte tut das. Es geht um Leben und Tod.«
Sie durchschritten die Empfangshalle und dann einen langen Flur, der in den Nordflügel des Palastes führte. Überall herrschte ein reges Kommen und Gehen von Pagen, Lakaien und Hausmädchen, die mit den verschiedensten Aufgaben beschäftigt waren: Einige polierten die Spiegel, andere die Marmorböden, wieder andere wischten die Goldlackierung des Stucks ab, bis sie glänzte.
»Wie Ihr seht«, erklärte Salinari, »sind die Vorbereitungen für das Fest in vollem Gange.«
»Welches Fest?«, fragte der Maler verdutzt.
»Die Königin gibt übermorgen ein großes Frühlingsfest, und jetzt überschlagen sich alle, damit alles rechtzeitig fertig wird. Alles, was in Rom Rang und Namen hat, wird da sein. Pater Kircher hat mehrere von seinen verblüffenden Teufelsmaschinen zur Verfügung gestellt, um die Gäste zu unterhalten. Aber ich merke, dass Euch das alles nicht besonders interessiert…«
»Verzeiht meine Unhöflichkeit, doch im Moment steht mir einfach der Sinn nicht danach. Ihr ahnt nicht, was mir passiert ist…«
Da er Vertrauen zu dem Gehilfen gefasst hatte, begann der Maler mit großer Detailfülle zu erzählen, was ihm in letzter Zeit zugestoßen war, wobei er sich besonders inbrünstig bei dem Unglück aufhielt, das Beatrice ereilt hatte.
»Wie mir scheint, liegt Euch sehr viel an dieser jungen Frau«, bemerkte Salinari verschmitzt.
»Wo denkt Ihr hin?«, fuhr Fulminacci pikiert auf. »Sie ist nur eine Freundin. Eine sehr gute, liebe Freundin.«
»Das glaube ich Euch nicht recht, lieber Sacchi, aber das ist Eure Angelegenheit. Kommt, wir gehen hier entlang.«
Sie traten durch eine Terrassentür, die in den Park führte, und eilten einen langen, von Buchsbaumhecken eingefassten Weg hinunter. Als sie am Fluss angekommen waren, führte Salinari seinen Gast zu einem Treppchen, über das man auf einen kleinen Anleger gelangte. Dort wartete einer der typischen kleinen Flusskähne mit niedrigen Seitenwänden und flachem Kiel auf sie. Sie stiegen ein und setzten sich auf die Bänke, worauf der Bootsführer, ein rüstiger, kräftiger Mann, sogleich energisch zu rudern anfing.
Dankbar streckte Fulminacci seine vom vielen Gehen schmerzenden Beine aus und betrachtete seinen Begleiter eingehender.
Er war etwa zwanzig Jahre alt, mittelgroß und von schlanker Gestalt. Seine feinen Gesichtszüge, die man fast weibisch nennen konnte, drückten eine spöttische Dreistigkeit aus, die schon an Unverschämtheit grenzte.
Noch so ein gebildeter Gauner, dachte der Maler. Arduino hat wirklich ein Talent dafür, sich mit Gleichgesinnten zu umgeben.
»Kennt Ihr den Großmeister schon lange?«, fragte der junge Mann.
»Das kann man wohl sagen«, antwortete Fulminacci, »obwohl wir uns einige Jahre nicht gesehen haben.«
»Verzeiht, wenn ich impertinent erscheine«, bohrte Salinari weiter, »aber da Ihr Euch einer langen Bekanntschaft mit ihm rühmen dürft, könntet Ihr mir vielleicht seinen wahren Namen verraten? Ich bin überzeugt, dass Baldassarre Melchiorri nur ein Künstlername ist.«
Fulminacci war etwas befremdet von der Direktheit des Jünglings, der sich erlaubte, ihm derart persönliche Fragen zu stellen, ohne ihn näher zu kennen.
»Soweit ich weiß«, antwortete er schließlich, »ist Baldassarre Melchiorri sein echter Name. Zumindest nannte er sich so, als wir uns in Mailand kennenlernten.«
»In Mailand? Wie interessant, ich wusste nicht, dass der Großmeister je in Mailand ansässig war. Davon hat er mir nie erzählt. Eure Verschwiegenheit ehrt Euch, aber ich werde seinen richtigen Namen schon irgendwann herausbekommen.« Fulminacci biss sich auf die Zunge und verfluchte die Einfältigkeit, mit der er in eine so offensichtliche Falle getappt war. Unter dem Vorwand, eine bestimmte Information
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