Das Blut des Skorpions
Sag ihm, dass ich hier draußen warte.«
Als die beiden Gefährten in die Räume des Jesuiten geführt wurden, trafen sie ihn zusammengesunken in einem Sessel beim Fenster an. Pater Kircher hob müde den Blick, und sogar der resolute Maler zögerte, auf ihn zuzugehen, weil er so entkräftet aussah. Aber er konnte es sich nicht leisten zu warten. In dem Bewusstsein, dass jeder Augenblick zählte, nahm er seinen Mut zusammen und erzählte dem Pater aufgewühlt, aber kurz und bündig, was passiert war. Kircher hörte ihm mit halb geschlossenen Augen zu, als hätte er Mühe, wach zu bleiben, und trotz des eindringlichen Tons des Malers wirkte er nicht sehr aufmerksam, sondern mit anderen, größeren Dingen beschäftigt. Doch als Fulminacci geendet hatte, sprach er freundlich und keineswegs verärgert zu seinen Besuchern.
»Mein Sohn, ich bin nur ein armer Mönch, und auch wenn viele Mächtige mich durch ihre Wertschätzung und Freundschaft ehren, sind meine Möglichkeiten doch sehr begrenzt, wenn es um eine so furchteinflößende Einrichtung wie die heilige Inquisition geht. Wie Euch nicht entgangen sein wird, ist das Verhältnis zwischen dem Heiligen Offizium und der Gesellschaft Jesu recht gespalten, um es mal euphemistisch auszudrücken. Aber wenn ich Euch irgendwie helfen kann, sagt es mir ruhig.«
»Ihr kennt doch Kardinal Azzolini gut und seid mit ihm vertraut. Vielleicht würde er uns empfangen, wenn Ihr uns ein Empfehlungsschreiben ausstellt. Ich bin sicher, dass er etwas für Beatrice tun kann. Ihr seid unsere einzige Hoffnung.«
»Ja, möglich wär’s«, antwortete der Pater nachdenklich, »obwohl der Kardinal im Moment mit wichtigeren Angelegenheiten beschäftigt ist, fürchte ich. Ich weiß nicht, ob er bereit sein wird, einen Teil seiner kostbaren Zeit Eurem Problem zu widmen. Aber ich kann Euch ein Schreiben an Königin Christine ausstellen. Kommt, helft mir, aufzustehen und mich an den Schreibtisch zu setzen. Heute fühle ich mich älter als Methusalem.«
Kircher setzte rasch in seiner schrägen, gestochenen Handschrift ein Schreiben an die Königin auf. Dann faltete er den Brief dreifach, erhitzte ein Stäbchen Siegellack, ließ ein paar Tropfen auf die äußeren Falzstellen fallen und drückte sein Siegel hinein.
»Ähm, Pater, verzeiht, wenn ich Euch noch länger belästige, aber es gibt da etwas, das uns ebenfalls weiterhelfen könnte. Ich verstehe nicht ganz, wie es dazu kam, aber ich halte es für möglich, dass Beatrice in Verbindung mit jemandem bei der französischen Gesandtschaft steht. Als sie verhaftet wurde, kam sie jedenfalls gerade von dort. Bei all den hochgestellten Persönlichkeiten, die Ihr kennt, könnt Ihr uns doch gewiss mit jemandem in Kontakt bringen, der dort etwas zu sagen hat. Wir haben vorhin versucht hineinzugelangen, aber man hat uns sehr unfreundlich davongejagt.« Kircher seufzte und nahm ein neues Blatt, auf das er mit zitternder Hand ein paar Zeilen schrieb.
»Das Siegel wird Euch beim Pförtner ausweisen«, sagte er und gab dem Maler das Schreiben. »Übrigens, wie geht es mit der Brille?«
»Brille? Was für eine Brille?«, fragte Fulminacci verwirrt.
»Die Augengläser, die ich Euch angepasst habe, mein Sohn. Seht Ihr jetzt besser?«
»Ach so, entschuldigt, Pater, ich war gerade nicht bei der Sache. Doch, ich glaube, sie sind gut, auch wenn ich in den letzten Tagen nicht viel Zeit hatte, sie auszuprobieren.«
»Schön, wenn das hier überstanden ist, kommt wieder zu mir, dann nehmen wir die letzten Änderungen vor. Falls uns noch genug Zeit bleibt.«
»Zeit? Wie meint Ihr das, Pater?«
»Ach, schon gut, das führt zu weit, und Ihr würdet es wahrscheinlich sowieso nicht verstehen. Geht jetzt.«
KAPITEL XXXVII
Der Palazzo Riario, der römische Wohnsitz der Königin von Schweden, lag an der Via della Lungara, einer langen Hauptverkehrsader, die den Vatikan mit dem volkstümlichen Viertel Trastevere, direkt unterhalb des Gianicolo, verband. Er befand sich nicht so weit vom Collegium Romanum entfernt, dass man die Strecke unbedingt zu Pferd hätte zurücklegen müssen, aber auch nicht in bequemer Fußnähe. Es war kein strammer Marsch bis dorthin, doch gewiss ein ordentlicher Spaziergang, bei dem auch der Tiber überquert werden musste.
Fulminacci aber merkte nichts davon. Die Angst um Beatrice verlieh ihm Flügel. Die Angst, aber auch das Wissen um die eigene Ohnmacht und um die Tatsache, dass das Schicksal der Freundin in den Händen mächtiger
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