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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Schritt langen Mauern waren von oben bis unten mit Fresken bedeckt. Diese stellten allegorische Szenen dar, die dem Maler unbekannt waren, obwohl er sich aufgrund seines Berufs und der Epoche, in der er lebte, einer gründlichen Kenntnis der klassischen Mythologie rühmen durfte.
    »Mein… Mein Gott«, brachte er nur heraus, »das ist ja… das ist ja unglaublich.«
    »Ziemlich beeindruckend, nicht wahr?«, erwiderte Salineri betont gelassen. »Ein außerordentlicher Wandschmuck und sehr gut erhalten, wenn man bedenkt, dass er dreizehnhundert Jahre in dieser feuchten Umgebung hinter sich hat.«
    »So… So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte Fulminacci, völlig verzückt von der schlichten und doch ausdrucksstarken Anmut der abgebildeten Szenen. »Seht Euch nur die Qualität der Farben an! Das Rot vor allem ist so leuchtend und satt, als wäre es erst vor wenigen Stunden aufgetragen worden. Und diese Dichte der Pigmente. Ich glaube, es gibt heute in ganz Europa keinen Künstler mehr, der Fresken von solcher… solcher…«
    »Es handelt sich um eine Technik, die leider mit dem Fall des Römischen Reichs verloren gegangen ist. ›Wachsmalerei‹, so nennt sie mein Meister. Melchiorri hat sie gründlich erforscht und ist überzeugt, mit genügend Zeit und Mitteln ihr Geheimnis lüften zu können. Im Moment weiß er nur eines sicher, nämlich dass bei dieser Technik mit Wärme gearbeitet wurde, vermutlich unter Verwendung von Wachs. Aber das wird er Euch alles selbst ausführlicher erklären. Wie gesagt befinden wir uns hier im Innern der antiken Aureliansthermen. Aurelianus war ein Soldaten kaiser, der nach Erlangung der Herrschaft seinen Legionären etwas Gutes tun wollte und die Wände seiner Thermen mit Szenen aus dem Mithraskult bemalen ließ, der verbreitetsten Religion unter den Truppen, die ihn auf den Cäsarenthron gehoben hatten. Seht einmal genau hin, Messere – findet Ihr nicht, dass diese Szenen eine Reihe von auffälligen Ähnlichkeiten mit der Ikonologie der heiligen Mutter Kirche aufweisen? Seltsam, nicht wahr?«
    Aus dem Gang kamen sie in eine elegante achteckige Halle, die ganz aus vielfarbigem Marmor in allen Schattierungen von Grün und Blau bestand, was dem Raum eine Art Unterwasseratmosphäre verlieh, auch wenn die schön geformten Becken in den acht Nischen jetzt trocken waren. Der Boden war mit einem großen, runden Mosaik geschmückt, das Neptun auf seinem Thron darstellte, umgeben von Nymphen, Najaden, Nereiden, Tritonen und vielen anderen mythologischen Wesen. Doch sie hatten keine Zeit, sich in das Reich des Meeresgottes zu versenken. Rasch durchquerten sie die Halle, gingen unter einer schön geformten Bogentür hindurch und betraten einen weiteren, größeren Raum, in dessen Mitte ein halbkreisförmiger Aufbau aus Holz stand. Der Saal wurde von zahlreichen Kerzenständern taghell erleuchtet, die so aufgestellt worden waren, dass das Licht vorwiegend auf diesen mittleren Bereich fiel. In dem großen Halbrund saßen mehrere Dutzend Leute, von denen ein paar unverkennbar purpurfarbene Gewänder trugen.
    Niemand drehte sich um, als die beiden hereinkamen. Alle blickten gebannt auf die tiefer gelegene Fläche vor der Holztribüne, wo ein einfaches Tischchen zu sehen war, an dem zwei Personen saßen. Neben dem Tischchen erhob sich ein Postament mit einem großen Vogel aus Metall darauf, der seine Flügel halb ausgebreitet hatte. An der Seite dieses Vogels konnte der Maler die aufrechte Gestalt des Großmeisters Baldassarre Melchiorri erkennen, prächtig gekleidet in den Überrock des Vorstehers seines imaginären Ordens.
    »Was ist das? Was machen diese Männer da?«, erkundigte sich Fulminacci.
    »Sie spielen das Phönixspiel, was sonst? In was für einer Welt lebt Ihr eigentlich, Maestro Sacchi?«

KAPITEL XXXVIII
     
    Von hier aus müsst Ihr allein weitergehen, Signore. Viel Glück.« Der Skorpion spähte erneut durch das Gebüsch, hinter dem er sich verbarg, und beobachtete den langen, verlassenen Bogengang. In der Dunkelheit konnte er die Säulenreihe um die Parkseite des Hauses kaum erkennen.
    Nun, da er dem Aufenthaltsort seines nächsten Opfers ganz nahe war, fühlte der alte Auftragsmörder, wie die wohlbekannte Ruhe ihn überkam, eine Ruhe, die der Vollendung der Tat, welche den Kern seines finsteren Gewerbes bildete, immer vorausging.
    Die Umstände, die ihn hierhergeführt hatten, kamen ihm im Nachhinein wie ein langes, traumähnliches Intermezzo vor. Die Verkleidung als

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