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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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Gardist, die Flucht - alles erschien so merkwürdig, so ungewöhnlich, so unerklärlich.
    Man hatte ihn in ein ärmlich eingerichtetes Zimmer mit niedriger Decke geführt, in dem er allein zurückgeblieben war und auf den Mann gewartet hatte, der anscheinend der Urheber des Plans zu seiner Rettung war. Beim Hinausgehen hatten seine Begleiter die einzige Tür des Zimmers abgeschlossen, was ihn nicht wenig beunruhigte. Als das Schloss wieder aufschnappte, war die Sonne schon seit einer geraumen Weile untergegangen.
    Die Tür ging auf, und ein untersetzter Mann trat ein, dessen ohnehin schon gewöhnliches Gesicht noch durch einen schwarzen, ungepflegten Bart verdüstert wurde. Nur seine Augen leuchteten fiebrig und wach.
    Die beiden Männer musterten sich lange schweigend, als wollte jeder sein Gegenüber einschätzen, ehe er ein Gespräch begann. Nach langem Zögern stellte sich der Fremde vor, und der Skorpion erfuhr, dass er sich Lapo Fieschi gegenübersah, dessen Ruf als Spion ihm durchaus bekannt war.
    »Seid Ihr wohlauf?«, fragte Fieschi.
    Der Skorpion nickte.
    »Das freut mich. Ihr fragt Euch gewiss, warum ich mir die Mühe gemacht habe, Euch von meinen Männern in Sicherheit bringen zu lassen. Nein, keine Sorge, ich bin überzeugt, dass Ihr Euch auch allein aus der Klemme befreit hättet. Euer Ruhm ist alles andere als unverdient, das weiß ich. Leider ist es mir nicht erlaubt, Euch die Gründe zu nennen, die meinen Auftraggeber dazu bewogen haben, mich mit Eurer Rettung zu betrauen.«
    »Was wollt Ihr von mir?«, fragte der Skorpion, den dieses Gerede verdrossen machte.
    »Wollen?«, erwiderte Fieschi. »Nichts, Messere, wir wollen gar nichts von Euch. Im Gegenteil, ich möchte Euch fragen, wie wir Euch helfen können. Glaubt mir, wir haben nichts anderes im Sinn, als mit Euch zusammenzuarbeiten. Das sind meine Anweisungen, und ich gedenke, die Zusagen an meinen Auftraggeber einzuhalten.«
    »Es ist wohl zwecklos, Euch danach zu fragen, wer dieser mysteriöse Auftraggeber ist.«
    »Es schmerzt mich, Euch bestätigen zu müssen, dass er im Augenblick nicht die Absicht hat, seine Identität zu enthüllen. Und was seine Ziele angeht, so könnte ich sie Euch nicht einmal verraten, wenn ich es wollte, da ich selbst nicht das Geringste darüber weiß. Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen stehe ich vollkommen zu Eurer Verfügung.«
    »Ich verstehe Eure Lage gut«, sagte der Skorpion, »denn mir ergeht es gerade ähnlich. Das Unternehmen, das ich zu Ende führen muss, scheint ebenfalls geheimnisumwittert zu sein. Mir sind weder die taktischen noch die strategischen Ziele bekannt, aber das ist eine Unannehmlichkeit, mit der wir es in unseren Berufen häufig zu tun haben. Ich fühle mich allerdings verpflichtet, Euch darauf hinzuweisen, dass die Art meines Auftrags Euch zuwider sein könnte.« »Darüber macht Euch keine Gedanken. Ich pflege gewisse Fragen nicht zu stellen, und was mein zartbesaitetes Wesen angeht, so glaube ich behaupten zu können, schon alles gesehen zu haben, was es zu sehen gibt, ohne dass mein Gewissen mir größere Probleme bereitet hätte. Außerdem denke ich, die Natur des Auftrags, der Euch nach Rom geführt hat, bereits verstanden zu haben.« »Sehr gut, das erspart uns viel unnötiges Geschwätz. Kennt Ihr den Palazzo Salvaneschi?«
    Bei der praktischen Planung eines Vorhabens sprachen sie dieselbe Sprache, stellten der Skorpion und Fieschi bald fest. Beide waren sie Männer der Tat, die nicht viel von langwierigen Betrachtungen hielten, aber sie besaßen auch genug Erfahrung, um riskante Schritte zu vermeiden und eine gründliche Vorbereitung bis ins Detail kopfloser Verwegenheit vorzuziehen.
    Der Skorpion sah sich gezwungen, seinem Retter die Identität seines nächsten Opfers mitzuteilen: Pater Eckart, Hauslehrer und Bibliothekar bei der adeligen Familie Salvaneschi.
    Auf diese Weise erfuhr er, dass der Palazzo, in den er sich einschleichen musste, über einen geheimen Zugang verfügte, von dem vermutlich noch nicht einmal die Bewohner etwas wussten. Das Haus war Anfang des vergangenen Jahrhunderts erbaut worden, zu einer unruhigen, kriegsgebeutelten Zeit also, deren unrühmlicher Tiefpunkt die Plünderung Roms durch die Landsknechte Kaiser Karls V. gewesen war. Als Vorsorge gegen ähnliche Katastrophen hatten die Planer des herrschaftlichen Baus ihn mit einem Geheimgang versehen, der es seinen Bewohnern ermöglichte, ihn im Notfall unbemerkt zu verlassen. In Laufe der Jahrzehnte hatte

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