Das Blut des Skorpions
Kirchenleute lag, von deren Launen ihr Leben und ihre Zukunft abhingen.
Seine Stiefel waren das einzige Kleidungsstück in seinem Besitz, das nicht schon mehrere Jahre auf dem Buckel hatte. Er hatte sie sich in einem der seltenen Momente von Wohlhabenheit von einem Schuster maßanfertigen lassen, der ihm von seinem flämischen Freund empfohlen worden war. Obwohl sie noch fast neu waren, hatten das viele Laufen, die Verfolgungsjagden und die langen Märsche der vergangenen Tage sie doch arg strapaziert, sodass die dicken Ledersohlen dünn wie Pergament geworden waren. Bei jedem Schritt spürte der Maler die Unebenheiten des Steinpflasters unter seinen Füßen, doch in seiner gegenwärtigen Verfassung hätte er barfuß über glühende Kohlen gehen können, ohne den geringsten Schmerz zu spüren.
Um keine Zeit zu verlieren, hatten er und Zane sich hinter der Sisto-Brücke getrennt. Der Slawe würde mit der Nachricht für Bischof de Simara zur französischen Gesandtschaft gehen, und obwohl ihnen beiden klar war, dass seine Stummheit kein geringes Hindernis darstellte, hielten sie die Lösung für die beste. Wenn alles gut ging, würde der Bischof verstehen, dass höchste Eile geboten war, auch ohne sich direkt mit dem Überbringer der Nachricht verständigen zu können.
Während er eilig ausschritt, hatte Fulminacci über die Geschehnisse der letzten Tage nachgedacht und war zu dem Schluss gekommen, dass Beatrice in einer engen Beziehung zu de Simara stehen musste. Anders war es nicht zu erklären, dass sie seiner Zeichnung so viel Bedeutung beigemessen und darauf bestanden hatte, sie zurückzuholen und schnellstens der französischen Gesandtschaft zu übergeben, indem sie noch vor Morgengrauen das Haus verließ. Außerdem hatte sie mehr als einmal dunkle Andeutungen über einflussreiche Freunde gemacht. Eingedenk dieser Hinweise lag es auf der Hand, dass Beatrice eine Agentin des Bischofs war.
Das überraschte ihn nicht. Er hatte Beatrice schon immer für eine rätselhafte Frau gehalten. Auch ihr Gewerbe als Kräuterweib und Kartenlegerin war vermutlich – jetzt, da er es in einem neuen Licht betrachtete – nur eine Tarnung für ihre eigentliche Tätigkeit. In Rom als Hauptstadt der Christenheit und Sitz des Papsttums wimmelte es von Spionen und Agenten aller europäischen Mächte, und nicht nur der. Dass seine Freundin auch zu diesem Kreis gehörte, war vielleicht bemerkenswert, aber keinesfalls verwunderlich.
Über diesen Gedanken brütend und geschwind einen Fuß vor den anderen setzend, erreichte er schließlich das Portal des Palazzo Riario, wo er oberflächlich seine abgewetzten Kleider abklopfte und sich in der Pförtnerloge meldete. Dort trat ihm ein Page entgegen, der ihn in würdevoller Haltung nach seinen Wünschen fragte und ihn gleichzeitig darauf hinwies, dass sich der Dienstboteneingang auf der anderen Seite des Gebäudes befand. Fulminacci reagierte auf seine Herablassung so kultiviert und wohlerzogen wie möglich und legte kurz den Anlass seines Besuches dar. »Ich bedauere, guter Mann, die Königin hält sich zur Zeit nicht im Palast auf. Abgesehen davon bezweifle ich stark, dass sie Euch empfangen würde.«
»Wie ich Euch soeben erklärte«, erwiderte Fulminacci, »geht es um eine Sache von höchster Dringlichkeit. Ich überbringe eine Botschaft von Pater Kircher, und im Übrigen bin ich kein ›guter Mann‹, sondern Giovanni Battista Sacchi, Kunstmaler von einigem Ruf.«
»In dem Fall hinterlasst Eure Botschaft hier in der Pförtnerstelle. Kann sein, dass die Königin bei ihrer Rückkehr die Güte hat, einen Blick darauf zu werfen, obwohl ich mir dessen keineswegs sicher bin.«
Fulminacci, der schon unter normalen Umständen nicht dazu neigte, die andere Wange hinzuhalten, war nun gar nicht mehr bereit, es mit Geduld und Höflichkeit zu versuchen.
Seine Hand lag schon auf der Degenglocke, als der unangenehme Wortwechsel von einem Dritten unterbrochen wurde, der gerade noch rechtzeitig kam, um dem unglückseligen Pagen eine denkwürdige Lektion zu ersparen.
»Entschuldigt die Einmischung«, sagte der Neuankömmling, »aber ich habe mitgehört, dass Ihr Signor Sacchi, der Maler, seid. Der Großmeister hat mir viel von Euch erzählt und mich gebeten, Euch meine Dienste anzubieten, sollte sich die Gelegenheit ergeben. Erlaubt mir, mich vorzustellen: Ich bin Jacopo Salinari, der erste Gehilfe des Großmeisters.«
Fulminacci nahm seine Rechte vom Degen, um die ihm dargebotene Hand zu
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