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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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erfahren zu wollen, hatte Salinari ihm eine andere entlockt. Er nahm sich vor, in Zukunft besser aufzupassen, was er sagte. Diese Sorte von Abenteurern hatte die Kunst, anderen Informationen abzulisten, zu einer Wissenschaft erhoben.
    »Darf man mal erfahren, wohin es eigentlich geht?«, fragte er barscher als beabsichtigt.
    »Habt noch ein wenig Geduld, Messer Sacchi. Ich bringe Euch an einen der geheimsten und exklusivsten Orte der Stadt. Einen überaus anregenden Ort, der Euer Künstlerauge erfreuen wird. Befasst Ihr Euch mit Vedutenmalerei?«
    »Gelegentlich. Wenn ich einen guten Auftrag dafür bekomme, lehne ich ihn gewiss nicht ab«, antwortete Fulminacci und war erleichtert, dass das Gespräch sich auf die Kunst verlagerte. »Persönlich bevorzuge ich allerdings größere Themen, egal ob weltlich oder religiös. Umfangreiche Werke, Fresken, großformatige Gemälde, auch wenn zur Zeit keine gesteigerte Nachfrage danach besteht.«
    »Was wirklich schade ist«, sagte Salinari mitfühlend. »Der Chigi-Papst hat sich in der Tat als großer Geizhals entpuppt. Aber er stammt auch aus einer Bankiersfamilie, was soll man da anderes erwarten?«
    »Es heißt, um seine Gesundheit sei es schlecht bestellt…«
    »Das stimmt. Er hat eine verstopfte Niere und kann das Bett nicht verlassen. Wenn er einem feierlichen Anlass beiwohnen muss, setzen die Angestellten der päpstlichen Kammer jedes Mal einen unglaublichen Apparat in Gang, um ihn transportieren zu können. Ich habe einen Bekannten beim päpstlichen Ärztekollegium, der mir versichert hat, dass er nicht mehr lange leben wird. Ein halbes Jahr, maximal ein Jahr noch.«
    »Bestimmt ist die Kurie schon auf der Suche nach einem Nachfolger. Wisst Ihr etwas darüber?«
    »Ach, Namen werden viele genannt. Alle tun sie sehr geschäftig, aber ich glaube, am Ende wird sich wieder Azzolinis fliegende Schwadron durchsetzen.«
    »Meint Ihr, der Kardinal hat eine Chance, Papst zu werden?«
    »Er selbst wohl nicht. Zu viel Tratsch über seine Beziehung zu Königin Christine. Er wäre ein zu schwacher Kandidat, glaube ich. Nein, Azzolini wird mit gewohntem Geschick alle Hebel in Bewegung setzen und seine Rivalen gegeneinander ausspielen, bis der Kardinal, der ihm genehm ist, sich im letzten Moment behauptet. Hoffen wir bloß, dass es nicht Rospigliosi wird, denn dann müssten der Großmeister und ich über eine Luftveränderung nachdenken.«
    »Rospigliosi wird doch von allen als gemäßigt geschildert.«
    »Das ist nur Fassade. Rospigliosi ist der große Sohn einer unbekannten Mutter. Wenn er Papst wird, müssen sich eine Menge Leute im Purpurgewand ganz schön umstellen, glaubt mir.«
    Inzwischen war das Boot mit der Strömung ein gutes Stück flussabwärts gefahren, hatte das Augustus-Mausoleum passiert und die dichter besiedelten Stadtteile hinter sich gelassen.
    Jetzt verließ es die Flussmitte und hielt auf das rechte Ufer zu, an dem eine verfallene und derart von Vegetation überwucherte Ruine stand, dass man ihren einstigen Zweck nicht mehr erkennen konnte.
    »Die Aureliansthermen«, sagte Salinari mit Blick auf die massigen Strebepfeiler aus abgebröckelten Ziegelsteinen. »Wir sind gleich da.«
    Die Barke trieb von der Hauptströmung weg und fuhr in eine Schleife mit ruhigerem, trüberem Wasser hinein. Als das verfallene Bauwerk erreicht war, legten sie nicht an, sondern glitten unter einem hohen Bogen hindurch in einen Tunnel, der ins Erdinnere zu führen schien. Mit geübten Bewegungen zündete Salinari eine Fackel an, damit der Fährmann sich in der Dunkelheit orientieren konnte. Sie folgten einigen Windungen, bis sie ein breiteres Gewässer, eine Art unterirdischen See, erreichten, an dessen anderem Ufer mehrere Boote verschiedener Formen und Größen festgemacht waren. Der Fährmann legte neben ihnen an, sprang ans Ufer und befestigte den Bug des Bootes mit einem Tau an einem Eisenring.
    »Wir sind da«, rief Salinari munter und hüpfte geschmeidig auf die kleine Mole.
    »Wo ist Melchiorri?«, fragte der Maler, der wegen seiner abgelaufenen Sohlen, die auf dem rutschigen Untergrund wenig Halt fanden, etwas vorsichtiger ausstieg.
    »Folgt mir, Messere, es ist nicht mehr weit.«
    Von dem Assistenten geleitet ging Fulminacci über einen kleinen Platz mit einem abgenutzten, aber wunderschönen Mosaikboden und betrat dann einen Gang mit Tonnengewölbe. Als er einen Blick auf dessen Wände warf, musste er einen überraschten Ausruf unterdrücken. Die alten, etwa hundert

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