Das Blut des Skorpions
mir das Wortspiel gestattest. Aber man gewöhnt sich daran. Ich achte schon gar nicht mehr darauf.«
Die drei setzten sich auf die niedrige Marmorbank, die rings um die Wände des ganzen Raums verlief.
»Hier stört uns keiner«, sagte der Großmeister. »Jetzt erzähl mir alles.«
Der Maler musste all seine Willenskraft aufbieten, um den Blick von den unzweideutigen Verführungsszenen zu lösen und dem Freund zu berichten, was ihn an diesen abgelegenen Ort geführt hatte.
»Deine Beatrice befindet sich also im Kerker der Inquisition«, fasste Melchiorri zusammen. »Ich hatte noch keine Gelegenheit, die junge Dame kennenzulernen, habe aber von ihr gehört – man sagt, sie sei eine wahre Schönheit. Allein, das ist eine üble Geschichte. Es ist nicht leicht, jemanden aus diesem Gefängnis herauszuholen.«
»Aber du kennst doch alle, die in der Stadt etwas zu sagen haben. Der Kardinal Azzolini oder Königin Christine können doch gewiss etwas tun, mit jemandem sprechen, sich an den Papst wenden…«
Melchiorri winkte ab.
»Die heilige Inquisition ist zur Zeit ganz in den Händen der Dominikaner. Kardinal Cybo, der ihr offiziell vorsteht, ist nur noch ein vertrottelter Greis, der nicht mehr Herr seiner selbst ist. Alle Macht hat Bernardo Muti an sich gerissen, der stellvertretende Inquisitor – ein widerliches Ungeheuer, kann ich dir versichern. Dieser Mönch ist ein blutrünstiger Fanatiker, der auf keinen Rücksicht nimmt, wenn es um die Verfolgung sogenannter Ketzer geht. Kardinal Azzolini dagegen steht, wie man weiß, den Jesuiten sehr nahe, und die Königin… Na ja, die Königin wird geradezu als deren Schützling angesehen, und das nicht zu Unrecht. Die Jesuiten waren es schließlich, die ihren Übertritt zum Katholizismus in die Wege geleitet haben. Zwischen den Jesuiten und den Dominikanern herrscht nun aber ein jahrzehntealter Streit, bei dem es vor allem um die Zwangsbekehrung von Eingeborenen in der Neuen Welt geht. In den überseeischen Kolonien ist sogar schon Blut geflossen. Und was den Heiligen Vater angeht, Gott möge mir vergeben, so glaube ich, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Von dieser Seite ist jedenfalls nichts zu erwarten. Im Gegenteil, wenn Muti erfährt, dass ein hohes Mitglied der Gesellschaft Jesu sich für Beatrice einsetzt, wird er sie erst recht vernichten wollen. Nein, Giovanni, da müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen.«
»Aber an wen sollen wir uns dann wenden? Wer könnte uns helfen?« Fulminacci war die Angst anzuhören, da er nun begriffen hatte, dass diejenigen, auf die er seine Hoffnungen gesetzt hatte, sich sogar als schädlich erweisen konnten.
»Niemand, fürchte ich«, antwortete Melchiorri.
»Du meinst, es gibt keine Hoffnung?«
»Das habe ich nicht gesagt. Denk an die alte Lebensregel: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Mir ist beim Reden gerade ein Plan in den Sinn gekommen, der mit ein wenig Glück auch funktionieren könnte. Bist du bereit, ein paar kleine Risiken einzugehen, um deine Freundin zu retten?«
»Ich bin bereit, mein Leben für sie aufs Spiel zu setzen!«
»Ah, hoffen wir, dass es nicht so weit kommt. Also los, wir müssen etwas unternehmen. Vielleicht bleibt uns nicht mehr viel Zeit.«
KAPITEL XLI
Capitaine de la Fleur ging um den Skorpion herum und richtete seinen Degen dabei weiter auf dessen Kehle, bis er ihm Auge in Auge gegenüberstand. Er tat das wider besseres Wissen, denn nach so vielen Monaten fruchtloser, frustrierender Jagd wollte er sich die Befriedigung nicht versagen, die Niederlage im Blick seines Feindes zu sehen.
Dieser Schritt war jedoch keine gute Idee, wie sich herausstellte.
Solange er den Musketier nicht richtig sehen konnte, hatte der Skorpion keine Möglichkeit zu einer noch so verzweifelten Gegenwehr gehabt. Wenn er versucht hätte, sein Schwert zu heben, um die ihn bedrohende Klinge wegzuschlagen, hätte er sich nach links drehen müssen und hätte damit dem Franzosen Gelegenheit gegeben, ihn tödlich zu verwunden. Doch nun, da er vor ihm stand, sah die Sache ganz anders aus.
Der Skorpion gönnte sich einen Augenblick, um die Muskeln seines rechten Arms zu entspannen, und als er bereit war, neigte er nur den Kopf ein Stück zur Seite und kreuzte blitzschnell die Klinge des Gegners.
Sobald die Waffen aufeinandertrafen, schob er mit einer Drehung seines Schwerts die Spitze des gegnerischen Degens von seinem Körper weg. Dann machte er einen flinken Schritt
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