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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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seinem tadellosen Stil gewinnen zu können, aber Fulminacci wusste, dass man mit einem guten Stil allein nicht sein Leben rettete, wenn es hart auf hart ging.
    Also begann er, seinen Hieben mehr Nachdruck zu verleihen, ohne viel auf Stil und saubere Ausführung zu achten. Sofort geriet de la Plessière in Schwierigkeiten, der offenbar nicht genug praktische Erfahrung besaß, um sein Kampfverhalten anzupassen, und auf die immer kräftigeren Schläge mit exakten, aber wenig wirksamen Paraden reagierte.
    Der Musketier schlug sich wacker, doch die Dynamik des Duells hatte sich verändert. Jetzt war die Initiative aufseiten des Malers, der seinen Gegner so bedrängte, dass dieser nicht zum Gegenangriff ansetzen konnte.
    Fulminaccis Absicht war es, die Distanz zwischen ihnen zu verringern und damit die klassische Fechtkunst des anderen zu unterlaufen. Immer öfter kämpften die Kontrahenten nur wenige Handbreit auseinander, Schwertgriff an Schwertgriff, wobei Fulminaccis größere Kraft wie auch seine größere Erfahrung ihm zum Vorteil gereichten.
    Er suchte mit seinen Attacken den Körperkontakt, was ihm schließlich auch gelang. Die Degenklinge des Musketiers glitt an seiner eigenen Klinge hinunter, und die Griffe stießen mit dumpfem Klirren gegeneinander. Fulminacci nutzte die Nähe des Gegners, um ihm einen Schulterstoß zu versetzen, der ihn taumeln ließ. Danach wartete er nicht, bis der junge Kadett wieder auf Linie war, sondern ging weiter mit schnellen, kräftigen Hieben auf ihn los, sodass dieser mit zurückweichen musste, ohne sein Gleichgewicht wiedergefunden zu haben, und schließlich strauchelte.
    Darauf hatte Fulminacci gewartet.
    Er drehte seinen Degen um die eigene Achse, benutzte ihn wie einen Hebel und schlug dem Gegner die Waffe aus dem nun unsicheren Griff, wodurch sie im hohen Bogen auf den Kiesboden krachte.
    Grinsend richtete er sein Schwert auf die Kehle des entwaffneten Musketiers.
    »Ist Eurer Ehre Genüge getan, Signore?«, fragte er.
    Der Kadett, der genauso verärgert wie verblüfft über den Ausgang des Kampfes war, konnte nur etwas in seiner Muttersprache stammeln.
    »Gut gemacht, Messer Sacchi«, lobte de la Fleur, der das Duell zufrieden verfolgt hatte. »Eine recht unkonventionelle Technik, aber durchaus erfolgreich.«
    »Auf dem Schlachtfeld hätte er nicht überlebt«, entgegnete der Maler, »und noch nicht einmal bei einer Wirtshausrauferei.«
    »Unser Kadett muss noch viel Erfahrung sammeln, da habt Ihr recht. Aber Ihr solltet seine Fähigkeiten nicht unterbewerten, sonst setzt Ihr dadurch Eure eigenen herab. Und Ihr, de la Plessière, macht Euch die Lehre zunutze, die Euch Messer Sacchi so freundlich erteilt hat. Denkt daran, dass Technik allein im Ernstfall nicht genügt, man muss auch mit ganzem Herzen bei der Sache sein. Das hat uns unser Maler hier sehr schön vorgeführt.«
    »Damit ist unser Zwist von eben aber nicht beigelegt«, sagte Fulminacci. »Wie schade, dass Euer Zustand es nicht zulässt, mit mir zu kämpfen.«
    »Ich werde bald wieder gesund sein, Messer Sacchi«, erwiderte der Capitaine. »Die Wunde ist nicht sehr tief. Sobald ich wieder im Vollbesitz meiner Kräfte bin, wird es mir ein Vergnügen sein, Euch Genugtuung zu geben.«
    »Ich verlasse mich darauf, Capitaine, ich verlasse mich darauf.«

KAPITEL LI
     
    Seit die Vorbereitungen für das große Frühlingsfest begonnen hatten, war es im Palazzo Riario nicht mehr auszuhalten. Nirgends fand man mehr ein stilles Eckchen, um sich ein wenig auszuruhen; alle Köche und Küchenmägde waren Tag und Nacht damit beschäftigt, das riesige Bankett vorzubereiten, sodass man sich keinen guten Bissen nebenher mehr beschaffen konnte; bei Tag wie bei Nacht herrschte überall ein fürchterliches Gehämmere, Gesäge und Gehobele.
    Kurzum, das Leben war für den armen Gerlando zur Hölle geworden.
    Gütiger Gott, dachte er, ein armer alter Mann sollte doch das Recht haben, seine letzten Tage in Frieden zuzubringen, ohne ständig belästigt zu werden!
    Vergeblich suchte Gerlando nach einem Plätzchen, wo er die warme Sonne genießen und ein kleines Nickerchen halten konnte, denn sowohl im Park als auch im Pavillon machten sich Dienstboten und Handwerker zu schaffen, und kaum hatte er einen ruhigen Winkel entdeckt, kam auch schon wieder jemand und vertrieb ihn, weil er dieses oder jenes Möbelstück verrücken, eine Nippesfigur abstauben oder eine Goldverzierung nachmalen musste.
    Aber das war noch nicht das Schlimmste!
    Aus

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