Das Blut des Skorpions
Augen und einem Gesichtsausdruck herausgekommen, der seinem Befreier einen Angstschauer über den Körper jagte. »Raus hier, schnell«, hatte der Inquisitor gezischt.
»Vorsicht, Monsignore«, bat Gerlando, »es darf uns niemand sehen, sonst sind wir verloren. Folgt mir schweigend.«
Sie waren leise die Treppe hinaufgestiegen, hatten sich zwei staubige Umhänge geschnappt und waren aus dem Pavillon und über den Hof gehuscht, während das Personal schon wieder emsig hin und her lief. Niemand achtete auf sie, sodass sie sich in aller Ruhe hatten verdrücken können.
Die Via della Lungara lag zu dieser Morgenstunde noch verlassen da, und das ungleiche Paar brauchte nicht lange, um den Palast der Inquisition zu erreichen, der nur ein paar Hundert Meter entfernt lag.
Unterwegs hielt Gerlando gebührenden Abstand zu dem ausgemergelten Mönch, der nach seinem Aufenthalt auf dem Mistwagen nicht eben angenehm roch.
Trotz seines erbärmlichen Aussehens wurde Bernardo Muti sofort von dem Wachposten vor dem Palast erkannt, der mit lauter Stimme die unverhoffte Rückkehr des Inquisitors verkündete.
Daraufhin ging ein Beben durch das sonst so stille, düstere Gebäude, und Scharen von Mönchen kamen von überall herbeigelaufen und drängten sich um den alten Dominikaner, der nicht wenig Mühe hatte, sich diesen Ansturm vom Leib zu halten.
Es dauerte mehrere Minuten, bis die Ordnung einigermaßen wiederhergestellt war, denn Muti wurde mit Fragen über Fragen bestürmt, die er bei dem Durcheinander in der finsteren Vorhalle nicht zu beantworten gedachte.
Sobald die Wachen, die ebenfalls in großer Zahl herbeigerannt waren, die Menge der neugierigen Brüder etwas gezähmt hatten, erteilte der Inquisitor flüsternd einen Befehl nach dem anderen und wandte sich mit gewohnter Schärfe mal an diesen, mal an jenen Mitbruder, als hätte ihn das überstandene Abenteuer nicht im Geringsten geschwächt.
In dem Gewühl wurde Gerlando an den Rand abgedrängt, was er sich aber in seiner Ungeduld, die versprochene Belohnung zu kassieren, nicht gefallen ließ. Mit Ellbogeneinsatz kämpfte er sich nach vorn zum Inquisitor durch.
»Euer Eminenz«, sprach er Muti an, da er nur eine sehr vage Kenntnis von Ehrentiteln hatte, »Euer Eminenz, ich hoffe, Ihr habt mich nicht vergessen, der ich Euch beherzt und unter vielen Gefahren gerettet habe. Ihr hattet mir eine Belohnung versprochen.«
Der Mönch drehte sich um, unterbrach seine raschen Anweisungen und sah dem Männchen ins Gesicht. Seine Augen durchbohrten Gerlando wie Pfeile.
»Oh nein, ich habe dich nicht vergessen. Ich habe weder deine Unverschämtheiten vergessen noch die Demütigungen, denen du mich ausgesetzt hast, noch das gemeine Feilschen, das du mir aufgezwungen hast. Wachen, nehmt diesen Hund und werft ihn in das tiefste, dunkelste Verlies. Ich werde mich persönlich um ihn kümmern!«
Der verdutzte Gerlando wurde von zwei stämmigen Wachen gepackt und ins Innere des Gebäudes geschleppt, wobei er aus Leibeskräften schrie und protestierte.
Bernardo Muti, von Wachen umringt und gefolgt von mehreren Gruppen von Mönchen, ging durch die Vorhalle auf die breite Treppe zu, die in die obere Etage führte.
»Sucht mir Fieschi!«, schnauzte er. »Ich will ihn so bald als möglich sehen!«
Die Bewohner des Pavillons erwachten spät an diesem Morgen.
All die Anstrengungen und Schrecken der vergangenen Tage waren nicht spurlos an ihnen vorübergegangen, und sowohl Melchiorri als auch der Maler, ganz zu schweigen von Beatrice, waren froh, sich bis in den Vormittag hinein unter der Decke rekeln zu können.
Der Großmeister hatte den Apparat fertiggestellt, mit dem er beauftragt worden war, während die anderen beiden gerade nichts Bestimmtes zu erledigen hatten.
Sie versammelten sich im Speisezimmer um einen reich gedeckten Tisch, wo sie ein Frühstück einnahmen, das eher einem Festessen glich.
Die lange Nachtruhe, die jeder sich gegönnt hatte, sorgte dafür, dass die gereizte Stimmung zwischen der Wahrsagerin und dem Maler zwar noch in der Luft lag, sich aber allmählich entspannte. So konnten die drei nun friedlich am Tisch sitzen und sich tüchtig stärken.
»Sehr gut, dieser Schinken«, lobte Fulminacci. »Woher beziehst du all diese Köstlichkeiten?«
»Ganz einfach«, antwortete Melchiorri. »Ich brauche nur meinen Koch auf einen Sprung in die Vorratskammern der Königin zu schicken. Christine lässt es sich an nichts mangeln. Schinken aus dem spanischen Hochland,
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