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Das Blut des Skorpions

Das Blut des Skorpions

Titel: Das Blut des Skorpions Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Marcotullio
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der Strecke, die schwach vom milchigen Licht des Mondes beleuchtet wurde, erschien ihm wie ein Albtraum mit offenen Augen.
    Wieder konzentrierte er sich auf die kaum zu bewältigende Aufgabe, einen Fuß vor den anderen zu setzen, während ein gräulicher Nebel seine Augen verschleierte und er nichts anderes sah als das Stückchen Pflaster vor seinen Stiefelspitzen.
    Fulminacci merkte erst, dass er am Ziel war, als er in Beatrices Hütte stand und mit dem Kopf an eines der zum Trocknen aufgehängten Heilkräuterbündel an der Decke stieß.
    Das war das Letzte, dessen er gewahr wurde.

KAPITEL XII
     
    Ein Diener führte Capitaine de la Fleur zu einem Gemach im ersten Stock, wo er diskret anklopfte und auf die Erlaubnis des Bischofs wartete, den Besucher anmelden zu dürfen.
    Als er sie erhalten hatte, öffnete er die Tür und ließ den Capitaine mit einer Verbeugung eintreten.
    Der Bischof stand vor einem hohen Fenster, das auf die Piazza unten hinausging, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und betrachtete den Mondschein auf den Dächern der Ewigen Stadt. Er trug nicht den üblichen Talar, sondern einen eleganten Rock aus blauer Brokatseide mit Goldstickerei an den Ärmeln. Nur die violette Kalotte auf seinem Kopf wies ihn als einen hochrangigen Vertreter der katholischen Kirche aus.
    De la Fleur durchquerte den großen Raum und blieb wenige Schritte vor dem Geistlichen stehen, der keine Anstalten machte, sich umzudrehen und ihn zu begrüßen.
    Der Hauptmann näherte sich dem Kamin, in dem ein schon ziemlich niedergebranntes Feuer flackerte. Außer den wenigen glimmenden Holzscheiten spendete einzig ein Kerzenleuchter Licht, der auf einem kleinen Tisch mit schönen Intarsien neben dem Fenster stand.
    Im Unterschied zum Bischof trug er nur einfache Reisekleidung, die jedoch gut geschnitten war und aus hochwertigem Stoff bestand. Seine Stiefel reichten bis zum Oberschenkel und waren mit einer dicken Staubschicht bedeckt, und an seiner Seite hing ein langer Degen in einer Scheide aus abgenutztem Leder.
    De la Fleur nahm seinen großen, mit Federn verzierten Hut ab, legte ihn auf einen Sessel und wartete darauf, dass der Bischof sich ihm zuwandte.
    »Capitaine«, begann dieser endlich, »auf dem Tisch findet Ihr einen guten Burgunder. Schenkt Euch ein, Ihr werdet nicht enttäuscht sein.«
    Der Soldat folgte der Einladung und goss Wein in einen Kelch.
    »Wirklich ausgezeichnet«, bemerkte er, nachdem er ihn gekostet hatte. »Schon lange habe ich keinen so guten Tropfen mehr getrunken. Die Weine, die man gewöhnlich in Rom bekommt, variieren von schlecht über miserabel bis hin zu völlig ungenießbar. Und was Deutschland angeht – puh, nichts als bitteres Bier, Ketzer und Regen, Regen, Regen.«
    »Er stammt vom Weingut eines geschätzten Freundes. Seit ich in Rom bin, schickt er mir jedes Jahr ein paar Fässer durch einen speziellen Kurier. Es freut mich, dass er Euch schmeckt. Wie war die Reise?«
    »Die übliche Strapaze«, antwortete der Offizier. »Deutschland ist zu dieser Jahreszeit eine einzige Schlammgrube, die Durchquerung Norditaliens wird durch die Pedanterie der Spanier erschwert, und was das Großherzogtum Toskana angeht… Das solltet Ihr erleben! Den Zollbeamten steckt noch die Angst vor der Pest in den Knochen, weshalb sie alles und jeden endlosen Kontrollen unterziehen. Ansonsten gab es keine Schwierigkeiten, wenn man mal davon absieht, dass ich nichts erreicht habe.«
    Bei diesen Worten beschloss der Bischof, dass es an der Zeit war, dem Capitaine, der inzwischen seinen Kelch geleert und neu gefüllt hatte, seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden.
    Da de la Fleur nun die Gesichtszüge seines Gesprächspartners sah, bemerkte er, dass dieser um mehrere Jahre gealtert zu sein schien, seit er ihm vor einigen Wochen zuletzt begegnet war. Obwohl der Bischof über das mittlere Alter hinaus war, hielt er sich würdevoll aufrecht und war von schlanker Gestalt, sodass er auf den ersten Blick einem wesentlich jüngeren Mann glich. Jetzt jedoch trat das feine Netz aus Falten, das sein Gesicht überzog, deutlicher hervor, und seine Augen waren von dunklen Ringen umgeben, die auf viele schlaflose Nächte schließen ließen. Nur sein Blick war noch genauso, wie der Capitaine ihn in Erinnerung hatte: geradeaus wie ein Arkebusenschuss.
    »Dann sind wir also wieder gescheitert«, sagte der Bischof. Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Zu meinem großen Bedauern«, bestätigte der Offizier und stellte sein

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