Das Blut des Skorpions
dich nicht auf. Setz dich hier ans Feuer, dann trockne ich dir die Haare.«
Sie nahm ein sauberes Tuch und rubbelte damit energisch seinen Schopf, den sie anschließend mit einem großen beinernen Kamm bearbeitete, dem ein paar Zinken fehlten.
Auch diese Prozedur ging nicht ohne neues Protestgeschrei ab, aber schließlich hatte Beatrice es geschafft und reichte Fulminacci eine Spiegelscherbe, damit er sich bewundern konnte.
»Sieh dich an, du bist ein neuer Mensch.«
»Hm, ja, ich muss zugeben, dass meine Haare jetzt besser aussehen. Nun muss ich sie aber noch hinten zusammenbinden. Hast du vielleicht etwas…?«
»Da, nimm«, sagte sie und gab ihm ein dunkles, mattes Band, »das ist Aalhaut. Hält die Haare gesund und frei von Parasiten. Und hier ist auch Talg für deinen Schnurrbart.«
In diesem Moment ging die Tür auf, und der riesenhafte Zane kam herein.
Mit schnellen Gebärden teilte er Beatrice mit, was sie schon befürchtet hatte, nämlich dass in Valocchis Wohnung weder der Maler noch die Zeichnung zu finden gewesen waren.
»Ist gut, Zane«, sagte sie diesmal laut. »Das bedeutet, dass wir tatsächlich ins Theater gehen müssen, um sie zurückzuholen. Die Vorstellung behagt mir zwar nicht, aber wir haben keine andere Wahl. Jetzt sollten wir erst mal essen, danach kümmern wir uns um die Vorbereitungen.«
Die drei setzten sich an den Tisch und aßen Fulminaccis Eintopf, der mit reifem Ricotta abgeschmeckt war.
Nach der Mahlzeit gingen sie ins Nebenzimmer, wo Beatrice in einem geräumigen Schrankkoffer in der Ecke zu kramen begann. Sie zog eine Reihe von Kleidungsstücken daraus hervor, die sie auf dem Bett ausbreitete und kritisch musterte.
»Nanni, weißt du, was für eine Oper gegeben wird?«
»Ich glaube, sie heißt Ione , von diesem Musiker, wie war doch gleich sein Name… Abbatucci… Abbatini! Ich habe gehört, dass die Hauptgeldgeberin des Spektakels Königin Christine von Schweden ist. Alles, was Rang und Namen hat, wird da sein, so viel steht fest. Die Königin hat keine Kosten gescheut und sogar einen berühmten Kastraten, Il Pisanino, für die Hauptrolle verpflichtet.«
»Schön und gut, aber kennst du die Handlung dieser Oper? Oder wenigstens den Ort der Handlung?«
Fulminacci breitete ratlos die Arme aus.
»Tut mir leid, keine Ahnung. Aber ich habe die Entwürfe für die Bühnenbilder gesehen und glaube, es ist etwas, das im Orient spielt. Ich erinnere mich an seltsam aussehende Gebäude, an Säulen, das Meer. Mehr weiß ich nicht.«
»Nanni, du bist so nützlich wie die Krätze. Aber wir haben ohnehin nicht viel Auswahl. Wir werden uns als Türken verkleiden und hoffen, dass du nicht zu betrunken warst, als du die Entwürfe gesehen hast. Schlimmstenfalls müssen wir uns was einfallen lassen.«
Fulminacci bekam ein Janitscharenkostüm mit großem Turban, gestepptem Mantel, langem, falschem Bart und einem Krummsäbel aus vergoldetem Holz. Beatrice dagegen wählte ein anmutiges Odaliskengewand, auf das Fulminacci jedoch nur einen kurzen Blick erhaschen konnte, da sie sich hinter einem Paravant umkleidete und sofort einen leichten Domino überzog, der nur die Füße und das Gesicht freiließ.
Am schwierigsten war es, eine Verkleidung für Zane zu finden. Nichts passte über den muskulösen Brustkorb des Slawen, weshalb sie am Ende beschlossen, dass er mit nacktem Oberkörper gehen sollte. Für den Rest staffierten sie ihn mit einer Pumphose, Schnabelschuhen, einem Turban und ebenfalls einem falschen Bart aus. Beatrice betrachtete ihn kritisch und schätzte, dass er als Sklave oder Haremswächter durchgehen konnte.
»Verzeih, wenn ich das frage, Beatrice«, sagte der Maler, als sie fertig waren, »wo hast du bloß diese ganzen Sachen her? Hast du den Fundus eines Theaters geplündert?«
»So etwas Ähnliches, aber das ist eine zu lange Geschichte, um sie jetzt zu erzählen. Wir sollten uns noch ein bisschen ausruhen und uns dann zwei Stunden vor Sonnenuntergang auf den Weg machen. Es wird ein langer und turbulenter Abend werden.«
KAPITEL XVI
Das Teatro dei Cavalieri war ein einziges Lichtermeer. Trotz des angenehm kühlen Abends herrschten daher im Saal hohe Temperaturen, und die Damen in den Logen fächelten sich bereits Luft mit ihren bunten Fächern zu.
Vor dem Eingang warteten die Kutschen in einer langen Reihe darauf, ihre adeligen Fahrgäste abzusetzen. Eine laute Menschenmenge drängte sich zu beiden Seiten der Straße, um der Ankunft der Aristokraten beizuwohnen
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