Das Blut des Skorpions
rührst dich nicht vom Fleck. Nur über meine Leiche!«
KAPITEL XV
Zane kehrte am späten Vormittag zurück. Als er in die Hütte trat, saß Beatrice immer noch an dem kleinen Tisch vor ihren Tarotkarten. Sie und Fulminacci hatten nicht mehr viel miteinander gesprochen, nachdem der Maler sich genötigt gesehen hatte, etwas einzugestehen, das er vorher verschwiegen hatte. Er hatte die Freundin noch ein Weilchen bei ihrer Kartenlegerei beobachtet, aber nach und nach das Interesse an dem für ihn unverständlichen Tun verloren und angefangen, einen herzhaften Eintopf aus Bohnen und toskanischem Kohl zu kochen, den es zu Mittag geben sollte.
Da er so mit seiner Arbeit am Herd beschäftigt war, bemerkte er die Rückkehr des Slawen nicht einmal. Erst als er sich umdrehte, um seiner Gefährtin zu sagen, dass das Essen fast fertig sei, sah er den Riesen und wurde Zeuge eines höchst merkwürdigen Schauspiels.
Zane hatte sich vor Beatrice gehockt und unterhielt sich mittels einer Reihe von Handbewegungen und Grimassen in einer wortlosen Sprache mit ihr, die sie offenbar ohne Weiteres verstand. Hin und wieder unterbrach Beatrice ihn und bewegte ihrerseits die Hände, anscheinend um ihm Fragen über einiges zu stellen, was der Klärung bedurfte. Eigentlich hätte sie sich dieser Zeichensprache nicht zu bedienen brauchen, da Zane ausgezeichnet hörte. Vermutlich war es einfach eine Gewohnheit zwischen den beiden.
Das Dumme war nur, dass der Maler von all diesem Gestikulieren, Zwinkern und Augenverdrehen nicht das Geringste verstand, was ihn allmählich etwas ungehalten machte.
Die zwei fuhren ungerührt auf diese Art fort, ohne sich um ihn zu kümmern, der in dem vergeblichen Versuch, ihrem Austausch zu folgen, ständig vom einen zum andern blickte.
Was ihm nicht entgehen konnte, war Beatrices zunehmend erzürnter Gesichtsausdruck bei Zanes offensichtlich unerfreulichen Neuigkeiten. Mehr als einmal war der Maler versucht, den stummen Dialog zu unterbrechen und sein Recht anzumelden, ebenfalls informiert zu werden, doch in Anbetracht ihrer ernsten Mienen beherrschte er sich und wartete ungeduldig darauf, dass Beatrice sich herabließ, ihn einzuweihen.
Endlich hörte Zanes schnelles Gestikulieren auf. Er faltete die Hände im Schoß und sah die Kartenlegerin an, als wartete er darauf, dass sie eine Lösung für die Probleme fand, die er ihr gerade geschildert hatte.
Beatrice schüttelte den Kopf, runzelte die Stirn und verzog ihren schönen Mund zu einer angewiderten Grimasse.
Fulminaccis Geduld war am Ende.
»Beatrice, verzeih, wenn ich deine Betrachtungen unterbreche, aber würdest du vielleicht so freundlich sein, mir zu sagen, was passiert ist? Dass es um etwas Ernstes geht, ist mir klar, aber da ich nur ein gewöhnlicher Sterblicher bin, habe ich sonst nicht viel kapiert. Was ist los? Ist die Pest wieder ausgebrochen? Der Papst gestorben? Belagern protestantische Armeen die Stadt? Beim heiligen Blut Jesu Christi, will mir jetzt mal jemand was sagen?«
»Schlechte Neuigkeiten, Nanni. Zane war gerade in der Stadt, um deine Zeichnung zu holen, wie du weißt, aber er ist gleich wieder umgekehrt. Die Bevölkerung ist in Aufruhr. Es sind beunruhigende Dinge gefunden worden: abgestochene schwarze Katzen an Wegkreuzungen, geköpfte Hähne vor den Kirchentüren, mit Blut geschriebene kabbalistische Zeichen an den Mauern. Die Häscher der Inquisition durchkämmen die Viertel. Offenbar haben sie vor, ins Ghetto einzudringen.«
»Bei allen Dämonen«, platzte der Maler heraus, »da hat der Teufel seine Hand im Spiel! Verflucht seien alle Zauberer und Hexenmeister!«
»Red keinen Blödsinn, Nanni. Manchmal glaube ich, du hast keinen Funken Verstand! Kapierst du denn nicht, was da vor sich geht? Genau diesen absurden Aberglauben macht sich die Inquisition zunutze, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Es besteht kein Zweifel daran, dass das Heilige Offizium hinter diesem Hokuspokus steckt, namentlich dieser Bernardo Muti, der stellvertretende Inquisitor. Seit Kardinal Cybo aus dem Spiel ist, macht dieser Mistkerl seinen Einfluss geltend. Die jüdische Gemeinde ist nun schon seit einigen Jahren nicht mehr verfolgt worden. Ihre Händler und Geldwechsler durften ihre Truhen füllen, und jetzt können es die Dominikaner kaum erwarten, diese schöne Gabe Gottes in ihre Klauen zu bekommen.«
Der Maler wehrte sich gegen diesen wütenden Tadel.
»Aber die geköpften Hähne, die schwarzen Katzen und all das, wie erklärst du dir
Weitere Kostenlose Bücher